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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 18.1900

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Beck, Paul A.: Eulogius Schneider und Schubart in Stuttgart, ein Hofprediger und Hofpoet
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https://doi.org/10.11588/diglit.15870#0078

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71

Aber der Herzog und seine Junker und
seine Schreiber sagten kein Wort, und
man glaubt, daß sie sehr weislich daran
Ihaten!" Wenn man inen je noch Zweifel
hege» möchte, ob in der That hinter dem
Panegyrikuö ans Friedrich den Gr. eigent-
lich eine Satire auf Herzog Karl von
Württemberg als Hauptsache steckt, dann
müßten solche ob dieser frivolen, wie Hohn
klingenden Glossen verstummen. Dabei darf
man immerhin billig fragen, ob gerade
Schneider — ganz abgesehen von seiner
hier so unschön zu Tage tretenden Undank-
barkeit gegen den Herzog — zur Geißelung
dieser Mißstände berufen war, zumal die-
selben zu seiner Zeit nicht mehr herrschten
und schon geraume Zeit in dem Herzog eine
gewaltige innere Umwandlung vorgegangen
war. — Es war nbngcnS nicht das einzige-
mal, daß sich Schneider gegen den Hof
viel heransnahm.
Gleich in einer seiner ersten in der Stuttgarter
Hofkapello, als welche damals der jetzt der Ober-
hofkasse eingeräumte dein Schlossplatz zu gelegene
Saal im alten Schlosse diente, gehaltenen Pre-
digten') redete er von den gerechten Forderungen
des Regenten an seine Unterthanen und von
dem Ursprung der politischen Gewalt, welchen
er aber nichts!) von Gott ableitet, sondern inNous-
seaus Weise auf einen freiwilligen Vertrag zurück-
führt, wodurch die Menschen auf ihre ursprüngliche
Freiheit verzichteten, um sich unter den Schutz
eines Mächtigeren zu stellen. Darnach darf der
Regent billigerweise von seinen Unterthanen ver-
langen: 1. pünktlichen Gehorsam gegen seine
gemeinnützigen Befehle; 2. Unterstützung in seinem
schweren mühseligen Amte; 3. Nachsicht gegen
seine Gebrechen und Schwachheiten s!) „Eine ganz
unbeschränkte Regierung" — fährt Schn, fort —
„streitet gegen die Urrechte der Menschheit, die
heiligen Bande der menschlichen Gesellschaft und
selbst gegen die Einrichtung unserer Natur. . . .
Nur unter dem Schatten der Freiheit gedeihen
große Geister, nur in den glücklichen Zeiten der
griechischen und römischen Freistaaten, standen
jene Helden, Redner und Staatsmänner auf,
deren Größe die schlappere Nachwelt noch heut-
zutage bewundert. Ferne sei es also von uns,
den Despotismus zu predigen, der nicht allein den
Rechten der Menschheit, sondern selbst der Sitten-
lehre Jesu und seiner Apostel widerspricht. . . .
Alle Menschen sind mit gleicher Freiheit, gleichen
Rechten, gleicher Unabhängigkeit aus dem Schoße
der Natur gekommen. Die Freiheit ist ein Gut,
') Einen Teil seiner in Stuttgart gehaltenen
Kanzelreden hat Schneider dann in Bonn
unter dem Titel: „Predigten für gebildete Menschen
und denkende Christen von Enl. Schneider, ehe-
maliger Herzog» württemb. Hofprediger, jetzt
Professor der schönen Wissenschaften re., Frank-
furt lind Leipzig, 1790" im Druck heransgegcben.

dessen sich der Mensch nur aus eigener Willkür
begeben kann. Nur durch einen freiwilligen Unter-
werfungsvertrag konnte die ursprüngliche Gleich-
heit der Sterblichen gehoben werden. Bei der
immer anwachssnden Menschenmenge vereinigten
sich die vorher zerstreuten Horden zu einer förm-
lichen Gesellschaft, übertrugen Einem die Ober-
auisicht über ihr gemeinschaftliches Beste. . . .
Konzentrierten ihre Kräfte auf einen Mann, den
sie zum Mittelpunkt ihrer Gesellschaft gewählt
hatten. Die ganze bürgerliche Gesellschaft besitzt
also die Grundgewalt, und der Fürst ist nur der
erste Beamte des Staates und der Geschäftsträger
seines Volkes." Eine in der That höchst merk-
würdige Kanzelrede aüs dein Munde eines Hof-
predigers, zugleich.ein Beleg dafür, wie die die
Revolution vorbereitenden Grundsätze der fran-
zösischen Encyklopädisten bereits in Schwaben
unter den Gebildeten Schule gemacht hatten!
Später schilderte er einmal auf der Kanzel
das Bild eines guten Fürsten (viel-
leicht frei nach Schnbart, welcher ja im
Jahre 1762 und 1769 den Ellwanger
Fürstpropst und nachmaligen Negonsbnrger
Bischof Grafen Anion Ignaz v. Fugger
als solchen in einer Ode besang), wobei
zufällig kein einziger Zug dieses Bildes
auf den Herzog paßte. „Als ich ans der
Kirche kam" — so erzählt Schneider a. a.
O. — „machte mir der Herzog ein Kompli-
ment über die vortreffliche Predigt und er-
mahnte mich, in diesem Tone fortznfahren.
Das werde ich auch, war meine Antwort,
und der Herzog sowie seine Junker und
Schreiber lächelten an demselben Tage
freundlicher gegen mich, als gewöhnlich. —-
Man dachte nicht daran, mich der Heuchelei
zu beschuldigen. Meine Freunde sagten
nur: Ach, 'Sie machen sich gar zu viele
Feinde! Ich antwortete ihnen: ich freue
mich, von denen gehaßt zu werde», welche
die Wahrheit und die Tugend hassen. Es
muß Leute geben, welche schlechterdings
allem trotzen, um frei sprechen und schreiben
zu können." Allerdings sprach der Herzog
in seiner Anstellungönrknnbe die Erwartung
aus, „daß Ec Mir die Wahrheit sagt.
Fürsten hören ohnehin so selten die Wahr-
heit: wenn sie dieselbe nicht etwa noch
von der Kanzel vernähmen, so würden sie
doppelt unglücklich sein." Allein — Schnei-
der »ahm dies doch gar zu wörtlich und
zu wenig als höfische Phrase und hat von
dieser fürstlichen Liccnz den weitesten, wenn
auch nicht den vorsichtigsten Gebrauch ge-
macht; er verkannte, daß seine diskrete
Stellung auch ge.visse Schranken habe. So
wird es denn wohl nicht anders als
 
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