Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 14.1904

DOI Artikel:
Hirschwald, Hermann: Welcher Gegenstand ist kunstgewerblich?, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7009#0066

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Welcher Gegenstand ist kunstgewerblich?

4i7

dritte Punkt auch die Massen - Fabrikation, denn
gerade hier hat der Künstler einzusetzen, um die
Kunst ins Volk zu bringen. Das Hervorheben
der technischen Gediegenheit in Absatz 2 bietet
e'ne Handhabe gegen den Dilettantismus.«

Direktor von Kralik Rheinische Glas-
hütten - Aktien - Gesellschaft Köln - Ehren-
feld : »Kunstgewerblich ist meiner Meinung
nach jeder Gegenstand, zu dessen Herstellung es
einer besonderen Auffassung sowohl seitens des-
jenigen , der den Entwurf anfertigt, wie auch
dessen, der diesen Entwurf ausführt, bedarf.
Kunstgewerblich ist jeder Gegenstand, dessen
Uridee dem Begriff von Kunstgewerbe entspricht;
er bleibt es auch in der Vervielfältigung, wenn
zu dieser Vervielfältigung wieder die Intelligenz
und die Geschicklichkeit des Betreffenden not-
wendig ist, der die Ausführung besorgt. Der
Gegenstand bleibt kunstgewerblich und wenn
er tausendfach nachgebildet wird.

Wird indessen ein Artikel, dessen Uridee
ebenfalls den Begriffen von Kunstgewerbe ent-
spricht, auf mechanischem Wege, durch maschi-
nelle Einrichtungen oder andere Vorkehrungen
vervielfältigt, ohne dass es hierzu der Gewandt-
heit und Intelligenz eines Menschen bedarf, so
fallen die Produkte der Vervielfältigung nicht
mehr in das Gebiet des Kunstgewerbes, sondern
Jn das der Kunst-Industrie.

Als anschauliches Beispiel zu dieser Er-
klärung gestatte ich mir auf die Herstellung des
Kunstglases gegenüber dem Pressglas hinzuweisen:

Zu beiden werden Entwürfe, meist von
Künstlerhand, geliefert, beide werden verviel-
fältigt, aber während die Nachbildung der Kunst-
gläser wieder der Geschicklichkeit des Individuums
unterliegt, während es bei diesen darauf ankommt,
dass ein Mensch sein ganzes Können, seine ganze
Geschicklichkeit in den Dienst seiner Arbeit, die
ja auch hier nur eine Vervielfältigung ist, stellt,
Und diese Nachbildung eben dadurch mit vollem
Kecht ein kunstgewerbliches Erzeugnis repräsen-
tiert , geschieht die Vervielfältigung des Press-
glases, das, wie bereits erwähnt, ebenfalls nach
künstlerischen Motiven hergestellt sein kann, auf
einfachem mechanischem Wege vermittels eiserner
Pressen und Formen, in deren Inneres das betr.
Muster eingraviert ist, in die das glühende Glas
hineinfliesst, um durch einen Druck, ein Öffnen
der Presse als fertiges Produkt herauszukommen :
ein Werk weniger Sekunden. Auf diese Weise
können pro Tag an 1000 Vervielfältigungen des
Originals geschaffen werden, die natürlich kein
kunstgewerbliches Erzeugnis mehr sind, sie sind
em Erzeugnis der Kunst-Industrie.

Ich resümiere, dass ein Originalentwurf, auf
den die Eingangs erwähnten Voraussetzungen
zutreffen, stets in das Gebiet des Kunstgewerbes
gehört, dass allein die Art der Vervielfältigung

entscheidet, ob die Nachbildungen ebenfalls zu
diesem oder zur Kunst-Industrie zu zählen sind.«

Engelbert Kayser—Köln: »Im Januar-Heft
der Zeitschrift »Deutsche Kunst u. Dekoration« stellt
Herr Hermann Hirschwald—Berlin die öffentliche
Umfrage: »Welcher Gegenstand ist kunstgewerb-
lich?« und gibt gleichzeitig seiner Auffassung
über diesen Begriff in drei Leitsätzen Ausdruck.
Mein Empfinden und meine Anschauungen in
dieser Sache decken sich vollkommen mit der
Auffassung des Herrn Hirschwald und unter-
schreibe ich die drei Leitsätze Wort für Wort.«

Gebr. Armbrüster—Frankfurt a. M. »Im
Besitze Ihres gefl. Rundschreibens vom 30. pto.
teilen wir Ihnen ergebenst mit, dass wir uns den
Ausführungen des Herrn Hermann Hirschwald—
Berlin bezüglich der Frage: »Welcher Gegen-
stand ist kunstgewerblich?« anschliessen.«

Direktor Alexander Spring (Kunstge-
werbliche Werkstätte Paul Stotz, G. m. b. H.,
Stuttgart): »In Beantwortung Ihrer gesch. Zu-
schrift vom 30. pto. begrüsse ich es mit Freuden,
dass die wichtige Frage: »Welcher Gegenstand
ist kunstgewerblich?« weiteren Kreisen zur Be-
antwortung vorgelegt wird. Die Lösung des
Herrn Hermann Hirschwald scheint mir nahezu
richtig zu sein; doch vermag ich solche Gegen-
stände nicht als kunstgewerblich zu betrachten,
bei deren Herstellung die Maschine eine so grosse
Rolle spielt, dass der Wert der Handarbeit dabei
ein minimaler ist. Ich hätte also bei Punkt 3
die Worte »und selbst der Massen-Fabrikation«
weggelassen und am Schlüsse gesagt: »Dasselbe
gilt von Gegenständen der Massen - Fabrikation,
sofern bei der Vervielfältigung die Maschine nicht
eine so überwiegende Rolle spielt, dass die Hand-
arbeit verschwindend klein ist.

Eine Münze oder gar ein Vereinsabzeichen,
die in Tausenden von Exemplaren hergestellt
worden sind, gehören meines Erachtens nicht zu
kunstgewerblichen Gegenständen.

Sehr wichtig ist, dass in der vorgeschlagenen
Lösung unter Punkt 3 der einheitlichen und soliden
Ausführung eine so grosse Bedeutung beigemessen
ist. Ich habe gestern von dem Inhaber eines
Architekturbureaus, der die Erzeugnisse aller
bedeutenden Firmen Deutschlands kennt, gehört,
dass eine tonangebende Firma eine Mittelzugkrone
zwar zu einem Spottpreise herstelle, die Qualität
aber so gering sei, dass man bei öfterer An-
wendung des Abwischtuches befürchten müsse,
dass die Krone defekt wird. Einen solchen
Gegenstand müsste ich zutreffenden Falles als
Schund bezeichnen, auch wenn die Zeichnung
noch so schön ist. Bei Anmeldung zum Muster-
schutz kann ja diese wichtige Frage der Solidität
nicht zur Sprache kommen, da aus der verlangten
Abbildung nicht zu ersehen ist, ob die Ausführung
eine solide ist. Es müsste von Gesetzes wegen
jedem Musterschutz Suchenden eine bestimmte,
 
Annotationen