DOI Artikel:
Riss, K: Sidonie St. Springer, München
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0176
Sidonie St. Springer München.
sidonik st. springer.
gemälde »waldsee«
Am deutlichsten offenbart sich dieser Zug
in der figurenreichen Komposition „Ein Lied
von Liebe und Leid". Diese uns allen vertrauten
Gestalten, denen die Dichtung das Wundmal
unglücklicher Liebe aufgedrückt, bieten in ihrem
Reichtum beseelter, quellender Linien inmitten
der von toten Felsen umstarrten Enge das Bild
müder, verzichtender Leidenschaft. Das Be-
herrschte zeigt sich vor allem in der jegliche
Effekte meidenden, ganz auf Innerlichkeit ge-
stellten Haltung des Ganzen, das etwas vom
Geiste unseres Jean Paul umschwebt.
Auch die „Entwurzelten", in ihrer sprechen-
den Symbolik wohl eines der stärksten Werke,
zeigt koloristisch diese zuchtvolle Abstinenz,
so außerordentliche Kraft auch hier in die Sil-
houette gesperrt ist — sie knistert förmlich in
ihrer Ladung an expressiven Energien......
Eine feine dekorative Schmuckwirkung eignet
dem am Brunnenrand träumenden Pagen. Auch
hier zeigt sich die subtile Zeichenkunst der
Malerin. Zuweilen verzichtet sie auf jede ge-
dankliche Koordinate. So in der „Dorfidylle".
Mit welch' erstaunlicher Versenkung ins bloße
Schauen ist dieser Erdenwinkel abgeschildert!
Auch der „Waldrand" gehört hierher. Mit
breiterem Duktus ist hier die tonige Dämme-
rung, in der die Schichtung der benadelten Äste
versinkt, vortrefflich festgehalten.
Alles in allem: Fern von Mode und Program-
men lebt Sidonie St. Springer ihr schaffendes
Leben. Und gerade heute, wo — seien wir offen
— plumpes Unvermögen sich oft genug in anma-
ßender Prophetengeste gefällt, hat sie allen An-
spruch, beachtet und ihrem reichen Können ent-
sprechend eingeschätzt zu werden, prof. k. riss.
ES9
sidonik st. springer.
gemälde »waldsee«
Am deutlichsten offenbart sich dieser Zug
in der figurenreichen Komposition „Ein Lied
von Liebe und Leid". Diese uns allen vertrauten
Gestalten, denen die Dichtung das Wundmal
unglücklicher Liebe aufgedrückt, bieten in ihrem
Reichtum beseelter, quellender Linien inmitten
der von toten Felsen umstarrten Enge das Bild
müder, verzichtender Leidenschaft. Das Be-
herrschte zeigt sich vor allem in der jegliche
Effekte meidenden, ganz auf Innerlichkeit ge-
stellten Haltung des Ganzen, das etwas vom
Geiste unseres Jean Paul umschwebt.
Auch die „Entwurzelten", in ihrer sprechen-
den Symbolik wohl eines der stärksten Werke,
zeigt koloristisch diese zuchtvolle Abstinenz,
so außerordentliche Kraft auch hier in die Sil-
houette gesperrt ist — sie knistert förmlich in
ihrer Ladung an expressiven Energien......
Eine feine dekorative Schmuckwirkung eignet
dem am Brunnenrand träumenden Pagen. Auch
hier zeigt sich die subtile Zeichenkunst der
Malerin. Zuweilen verzichtet sie auf jede ge-
dankliche Koordinate. So in der „Dorfidylle".
Mit welch' erstaunlicher Versenkung ins bloße
Schauen ist dieser Erdenwinkel abgeschildert!
Auch der „Waldrand" gehört hierher. Mit
breiterem Duktus ist hier die tonige Dämme-
rung, in der die Schichtung der benadelten Äste
versinkt, vortrefflich festgehalten.
Alles in allem: Fern von Mode und Program-
men lebt Sidonie St. Springer ihr schaffendes
Leben. Und gerade heute, wo — seien wir offen
— plumpes Unvermögen sich oft genug in anma-
ßender Prophetengeste gefällt, hat sie allen An-
spruch, beachtet und ihrem reichen Können ent-
sprechend eingeschätzt zu werden, prof. k. riss.
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