DOI Artikel:
Schaefer, Karl: Dänemark und wir
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0263
Dänemark und wir.
»DIE VIER ERDTEILE«
wie sie nach 1870 bei uns ein-
setzte, kein scharfer aufreiben-
der Wettstreit zwischen Hand-
werk und Industrie; selbst der
Kampf zwischen den Nachahmern
alter Stilformen und den Moder-
nen ist früher und ruhiger ent-
schieden worden als bei uns.
Daß dieser Aufschwung mit in-
nerer geschichtlicher Notwendig-
keit vor sich gegangen ist, davon
zeugen die Dichter und Literaten
des Landes, die mit ihren Taten
dieses Zeitalter genau so berei-
chert haben, wie die Vertreter
der bildenden Kunst. Wer kennt
nicht Jens Peter Jacobsen, des-
sen zarte Poesien seit 25 Jahren
auch unser eigen geworden sind?
— Der Duft und Klang seiner
seltsam weichen, stillen Natur ist
ein Stück dänischer Natur, der
träumende Dämmerung besser
ansteht, als klarer Sonnenschein.
In sich gekehrt und zaghaft fein-
fühlig, leise und wehmutvoll und
doch wieder jung und harmlos
froh, im Grunde so wirklich und
glaubhaft, so ohne allen hohlen
Überschwang wie dieser Mogens
und dieser Nils Lyne, so ist die
weiche einfache, regenschwere
Natur dieses Landes, in deren
Dämmerschleiern der Erzähler-
phantasie eines Andersen aus
der nüchternen Wirklichkeit die
merkwürdigsten, liebenswerte-
sten Gestalten und Märchenhand-
lungen erwachsen. In ihr leben
Sage und Erinnerung an jene
abenteuerliche Zeit des frühen
Mittelalters weiter, an jene Zeit,
in der von den grünen Inseln
BES: FRAU ALBERT—WIESBADEN.
am Belt die wohlbemannten Schiffe kamen, die
von Reval bis zur Küste Englands auf dem
Meere niemand neben sich duldeten.
Wie ernst dies Volk an der Erhaltung und
Vertiefung seiner Kunst arbeitet, das mag auch
die vorbildliche Führung der Museen dem Be-
sucher Kopenhagens zeigen. Unter ihnen ist die
überreiche Skulpturen-Sammlung des Brauers
Jacobsen, den meisten bekannt mit ihrer Häu-
fung verschiedenwertiger französischer Marmor-
bildwerke neben einer trefflichen Sammlung an-
tiker Plastik, im Grunde wohl mehr ein Gegen-
stand der Schaulust des Großstadtvolkes, als
unmittelbar fördernd in ihrer Wirkung. Im
Kunstindustriemuseum vereinigt sich wie einst
unter Pietro Krön, so heute unter E. Hannover
feinsinnige Pflege der Meisterwerke alter Hand-
werkskunst mit einer eingreifenden verständ-
nisvollen Förderung der Gegenwärtigen, so daß
dem Kunstgewerbe des Landes in dieser An-
stalt ein Mittelpunkt gegeben ist, wie es ihn zu
erfolgreichem gemeinsamem Aufstreben bedarf.
Daneben hat die breit und originell ent-
wickelte Kunst des dänischen Flachlandes,
des Bauernhauses auf Jütland und den Inseln,
im DanskeVolkemuseum eine bewundernswert
XXII. Januar 1919. 5
»DIE VIER ERDTEILE«
wie sie nach 1870 bei uns ein-
setzte, kein scharfer aufreiben-
der Wettstreit zwischen Hand-
werk und Industrie; selbst der
Kampf zwischen den Nachahmern
alter Stilformen und den Moder-
nen ist früher und ruhiger ent-
schieden worden als bei uns.
Daß dieser Aufschwung mit in-
nerer geschichtlicher Notwendig-
keit vor sich gegangen ist, davon
zeugen die Dichter und Literaten
des Landes, die mit ihren Taten
dieses Zeitalter genau so berei-
chert haben, wie die Vertreter
der bildenden Kunst. Wer kennt
nicht Jens Peter Jacobsen, des-
sen zarte Poesien seit 25 Jahren
auch unser eigen geworden sind?
— Der Duft und Klang seiner
seltsam weichen, stillen Natur ist
ein Stück dänischer Natur, der
träumende Dämmerung besser
ansteht, als klarer Sonnenschein.
In sich gekehrt und zaghaft fein-
fühlig, leise und wehmutvoll und
doch wieder jung und harmlos
froh, im Grunde so wirklich und
glaubhaft, so ohne allen hohlen
Überschwang wie dieser Mogens
und dieser Nils Lyne, so ist die
weiche einfache, regenschwere
Natur dieses Landes, in deren
Dämmerschleiern der Erzähler-
phantasie eines Andersen aus
der nüchternen Wirklichkeit die
merkwürdigsten, liebenswerte-
sten Gestalten und Märchenhand-
lungen erwachsen. In ihr leben
Sage und Erinnerung an jene
abenteuerliche Zeit des frühen
Mittelalters weiter, an jene Zeit,
in der von den grünen Inseln
BES: FRAU ALBERT—WIESBADEN.
am Belt die wohlbemannten Schiffe kamen, die
von Reval bis zur Küste Englands auf dem
Meere niemand neben sich duldeten.
Wie ernst dies Volk an der Erhaltung und
Vertiefung seiner Kunst arbeitet, das mag auch
die vorbildliche Führung der Museen dem Be-
sucher Kopenhagens zeigen. Unter ihnen ist die
überreiche Skulpturen-Sammlung des Brauers
Jacobsen, den meisten bekannt mit ihrer Häu-
fung verschiedenwertiger französischer Marmor-
bildwerke neben einer trefflichen Sammlung an-
tiker Plastik, im Grunde wohl mehr ein Gegen-
stand der Schaulust des Großstadtvolkes, als
unmittelbar fördernd in ihrer Wirkung. Im
Kunstindustriemuseum vereinigt sich wie einst
unter Pietro Krön, so heute unter E. Hannover
feinsinnige Pflege der Meisterwerke alter Hand-
werkskunst mit einer eingreifenden verständ-
nisvollen Förderung der Gegenwärtigen, so daß
dem Kunstgewerbe des Landes in dieser An-
stalt ein Mittelpunkt gegeben ist, wie es ihn zu
erfolgreichem gemeinsamem Aufstreben bedarf.
Daneben hat die breit und originell ent-
wickelte Kunst des dänischen Flachlandes,
des Bauernhauses auf Jütland und den Inseln,
im DanskeVolkemuseum eine bewundernswert
XXII. Januar 1919. 5