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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Raphael, Max: Alexander Gerbig
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0324

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Alexander Gerbig.

wie man von der Natur Abstand gewinnen
muß, um das Werk zu einem künstlerisch selb-
ständigen Organismus zu gestalten; wie man
bilden kann, ohne zu komponieren; und vor
allem, daß jede Kunst in der lebendigen Emp-
findung des Malers wurzelt, die in der Leben-
digkeit der Linien, der Töne, der Farben und
Maßen ihren Ausdruck finden muß. Ein Stück
Natur immer lebendiger in seiner individuellen
Eigenart zu erfassen und das so übermittelte
optische Erlebnis immer reiner zu einem künst-
lerischen Organismus, zu einem Bild auszu-
bauen, diesem seinem Willen ist er in unbe-
irrter Arbeit ein gutes Stück näher gekommen.

Die abgebildeten Werke zeigen uns den ar-
beitenden Menschen. Es ist bezeichnend für
Gerbigs Weltempfinden, daß er weder Arbeit
und Natur, noch Geist und Arbeit entgegen-
setzt. Der Arbeiter ist ihm nicht die Maschine,
die ganz auf ihr Werken gerichtet ist, etwa in
dem Sinne, wie van Gogh nur das Graben dar-
stellen wollte; er ist ihm nicht der gedrückt-
verbohrte Sozialist, der die Arbeit als uner-
träglichen, Mitleid herausfordernden Zwang
empfindet; er ist ihm auch nicht ein Heros, eine
unlebendige, pathetische Idee. Er vermag sein

Gefühl, seine die Erscheinung begleitende blut-
warme Empfindung nicht zum Begriff zu ver-
flüchten, zur Idee zu steigern. Sie wird nie
selbständige Materie, weder als inhaltsleere
Sentimentalität, noch als unlebendige, erhabene
Vorstellung, Gerbig bleibt bei der Erscheinung,
die ihm auch als Arbeit Natur und, je reiner
sie als solche zum Ausdruck kommt, Geist ist.
Vor allem der „Schafhirt" bezeugt den Fort-
schritt innerhalb dieser Empfindungsweise. Die
höhere Einheit alles Lebens, die plastische
Erscheinung dieses inneren Erlebnisses ist
in diesem Bilde gleichzeitig mit der Vervoll-
kommnung der Mittel erreicht.

Die südliche Landschaft, die die Figuren be-
gleitet, ist entwicklungsmäßig eine Episode im
Leben Gerbigs, der sich immer darum gemüht
hatte, die ganz anders geartete nordische Land-
schaft, seine thüringische Heimat darzustellen.
Aber sie hat ihm sicher zu einer höheren Ein-
heit von menschlicher und vegetabilischer Natur
verholfen; darum dürfen wir für ihn eine viel-
versprechende Zukunft erwarten. Hier hat, ab-
seits vom Lärm des Tages, ein Künstler ge-
schafft, in dem der deutsche Stoff weltbürger-
liche Form suchte und gewann. max Raphael.

ALEXANDER GERBIG—SUHL IN THÜRINGEN. GEMÄLDE iDER SCHAFHIRT«
 
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