Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0344

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
leopold fleischhacker—düsseldorf.

dekorative kinder-gruppe »TANZc

LILY HILDEBRANDT: „Klein Rainers Welt-
_j reise" (München, Georg W. Dietrich). Ein
reizendes Bilderbuch für ganz kleine Kinder,
eines der besten, das überhaupt existiert. —
Scherenschnitte aus buntem Papier, die in
psychologisch überaus glücklichem Anschluß an
den Vorstellungskreis des Kindes künstlerisch
interessante, einprägsame Bilder bieten, von
schlichten, ebenfalls leicht merkbaren Kinder-
reimen begleitet, — eine Weihnachtsgabe für
1918, die gewiß vielen Familien sehr willkom-
men war, aber auch in der Folgezeit — von
Aktualität unabhängig — nicht bald durch ir-
gend etwas besseres dieser Art verdrängt wer-
den dürfte. — In einer Zeit, die selbst dem Er-
wachsenen das Reisen so überaus erschwert,
eilt das Kind auf den Flügeln der Phantasie
nach wie vor über weite Länder und Meere,
läßt sich vom Storch nach Süden führen, be-
gegnet dem Walfisch im großen Wasser, dem
Eisbären am Nordpol, dem Affen bei den Pyra-
miden, dem Elefanten und Papagei, kurz allen
Wundern, die seiner Vorstellungswelt zuerst auf-
fallen, ohne aber die nächste belebte wie unbe-
lebte Umwelt, Schaukelpferd, Gänse, Schweine
oder Mäuse zu vermissen. Alles wird von der

gemütlich-humoristischen Seite angepackt, denn
das Kind darf weder geängstigt noch mit über-
flüssigem Hirnbeiast vollgestopft, sondern nur
angenehm angeregt werden. Dies ist Frau Lily
Hildebrandt, einer Hölzel-Schülerin, ganz vor-
züglich gelungen, ebenso ihrem Gatten die Verse
— wie wir verraten zu dürfen glauben. Das
Geheimnis des Erfolges ruht hauptsächlich da-
rin, daß dieses Künstler-Ehepaar nicht nur seine
Aufgabe ästhetisch beherrscht, sondern als die
Eltern eines leibhaftigen kleinen Rainer mit
ihrem ganzen Herzen an die Lösung dieser Frage
herangetreten sind. Man erinnert sich des gro-
ßen Erfolges, den vor einem halben Jahrhun-
dert der Struwelpeter hatte, der auch zunächst
als Gabe für die eigenen Kinder das Licht der
Welt erblickte und erst später auch der Allge-
meinheit zugänglich wurde, obwohl der Autor
kein eigentlicher Künstler war. Umso glück-
licher ist unser neuestes Bilderbuch, das auch
in Maßstab und Farbengebung allen Anforde-
rungen gerecht wird. Daß der Verlag, wie die
Stuttgarter Kunstdruckanstalt Eckstein und
Stähle ein derartiges Werk im vierten Kriegs-
jahr herausbringen konnte, verdient noch eine
besondere Hervorhebung. . . gustav pazaurek.
 
Annotationen