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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Georgi, Walter: Über die Ziele der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0377

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ÜBER DIE ZIELE DER KUNST____

VON DR. WALTER GEORGI—BERLIN.

Eine Welt voll stolzer Hoffnungen und Ide-
alen liegt hinter uns in Trümmern. Man-
chen hat in dieser Zeit eine Wirrnis ergriffen
wie die Menschheit an jenem Tage, da der
Turm zu Babel zusammenfiel und die einzelnen
einander nicht mehr verstanden. Während die
einen noch unter dem Eindruck der Ereignisse
keine Hand zu rühren vermögen, erheben an-
dere ihre Stimmen und fordern oft mit selt-
samen Mitteln den schleunigen Wiederaufbau
des politischen und kulturellen Gemeinwesens.

Aber es ist leichter, in das Chaos hinein diese
Forderung zu rufen, als sofort die geeigneten
Baumeister zu finden. Mag auch der Aufbau
des politischen Gemeinwesens vielleicht ohne
allzu große Schwierigkeitengelingen, sobedeutet
er vorerst doch nicht viel mehr als eine notdürf-
tige Baracke, in der das Volk vor den Stürmen,
die den Kontinent erschüttern, Schutz findet.
Schwieriger wird sich für das Volk sicherlich

die Aufgabe gestalten, die wertvollsten Kräfte
seines innersten Lebens wieder zusammenzufas-
sen, um jenem unsichtbaren Bau Halt und Stütze
zu geben, in dem sein gesamtes geistiges Stre-
ben in einer hochentwickelten Kultur gipfelt.

Zahlreiche Kräfte, die in dem Wesen des
Volkes verankert sind, werden sich um jene
Aufgabe scharen. Der aufrichtige Wille des
Gelehrten, des Kaufmanns, des Arbeiters wie
des Bürgers werden wie einst die Bausteine her-
beitragen, die in das Werk eingefügt werden sol-
len. Der erhabene Geist aber, der das Material
sichtet und dem Bau die bestimmenden Maße
und Linien geben wird, wird aus der Seele
des Volkes erstehen müssen, wo er, vom Nie-
derschlag der Kultur aller Zeiten umgeben,
schlummert und nur des Erweckers harrt, um
auf den Plan zu treten.

Wer diese Rolle als Erlöser übernehmen
will, muß selbst mit seinem Innersten im tief-

XXII. März 1919. 4
 
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