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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Gleichen-Rußwum, Alexander von: Vom Bühnenbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0390

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Vom Bühnenbild.

STOFFABTEILUNG, WIENER WERKSTÄTTE.

MALEREI VON FRL. RENI SCHASCHL.

terial wurde und das Wort im Lärm versank.
— Gewiß sind schöne, ja herrliche Wirkungen
erzielt und bei einzelnen Stücke ließ sich vol-
lendetes erreichen. Ich erinnere nur an den
Ödipus in Reinhardts Inszenierung und an
Grabbes Hannibal unter Steinrücks Leitung.
Solche Theaterabende erreichen, was Goethe
mit dem Wort gemeint hat „das Zusammen-
fassen des Gemeinsamen undCharakteristischen,
d.h. Stil." Und auf den Stil kommt es beim
Bühnenbilde an, wenn es dem Wort Gestalt
gibt, indem es dem Auge das Gehörte in seiner
richtigen Umgebung zeigt.

Starke Zeiten haben auch der Szene ihren
Stilaufgedrückt. Auskleinen Federzeichnungen,
die Chodowiecki für manches Stück entwarf,
erkennen wir das charakteristische Bühnenbild
der empfindsamen Zeit und die Guckkasten-
bühne des 19. Jahrhunderts vor der Literatur-
Revolution der achtziger Jahre läßt erkennen,
daß auch sie mit der damaligen Historien- und
Anekdotenmalerei in Wechselwirkung stand.
Selbst Impressionismus und heutigen Tages
Expressionismus berührten und berühren Dar-
stellung, Regie und Rahmen, wie es gute Auf-
führungen von Ibsen und Hauptmann für den

einen, Strindberg-Inszenierungen bei den zwei-
ten beweisen. Das Bühnenbild rückt in die
Kreise des Symbols, einzelne Farben beherr-
schen schließlich eine Szene, ja selbst ein
ganzes Stück, um durch das Auge gleichzeitig
dieselbe Stimmung hervorzurufen, die das Ohr
andererseits anschlägt. Es kann gesucht und
übertrieben wirken, es ist immerhin ein Versuch,
den Stil der Zeit auf die Bühne zu bannen. Von
den Bildern zeitgenössisch wirkender Künstler
geht ein Fluidum aus, dem sich eine moderne
Regie nicht entziehen kann und je differenzierter
der Blick für Farben, Bewegungen und Linien
wird, desto notwendiger erscheint es, daß Spiel,
Kostüm und Dekoration dem neuerwachenden
Stilgefühl entgegenkommen und auf diese Weise
die künstlerischen Absichten der Dichtung er-
füllen. Und da wir heute wieder — ähnlich
den Stilgeboten der klassischen Zeit — daran
gehen, die reine Stimmung aus der reinen Linie
zu entwickeln, kommt als selbstverständliche
Forderung ein Weglassen alles Unwesentlichen
zunächst in Betracht.

Einfachheit ist Ausdruck künstlerischer Reife,
sie unterscheidet sich von ödem Puritanertum
ebensostark wie vom Ausstattungszauber und
 
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