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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 56.1925

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Ruppel, Karl H.: Auferstehung des Stillebens
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https://doi.org/10.11588/diglit.9179#0376

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Auferstehung des Stillebens.

MARIE LAUKENCIN. »SELBSTBILDNIS MIT PICASSO, APOLLINAIRE U. FERNANDE«

einem Ensemble von Krügen, Äpfeln und Scha-
len erkannte, der die kubischen Werte dieser
Körper spürte, ihre dingliche Rundung, Faßbar-
keit und Wirklichkeit; er empfand mehr als
den Reiz der Netzhaut durch die farbige Man-
nigfaltigkeit dieser Dinge, er empfand in ihnen
die Magie der Dreidimensionalität. Das
stak in ihm und das war es auch, was ihn zu
Beginn seiner Laufbahn so stark zu Courbet
hingezogen hatte: der Realismus dieses Malers,
die dingliche Echtheit seiner Bilder, Als er
später durch Zolas Vermittlung unter den Ein-
fluß Manets geriet, war es nur, um ihn dann
desto sicherer auf seine eigne Bahn zurückzu-
leiten, die ihn von dem Farbenspiel der Ober-
fläche an die Dichte und Prallheit der Dinge
selbst fährte. Das Stilleben bedeutete für Ce-
zanne eine besondere Möglichkeit auf dem
Wege zur absoluten Gestaltung. Die kugeligen
Formen der Äpfel, die konischen der Birnen, die
zylindrischen der Flaschen und Krüge geben
schon in ihrer Naturbeschaffenheit jene äußer-
sten Vereinfachungen und Verallgemeinerungen,
aus denen Cezanne seinen Kunstraum kon-

struierte. Seine Stilleben, die unerhörtesten,
die die neuere Kunst kennt, sind nicht mehr
Ansichten der farbigen Oberfläche der Dinge,
sondern malerische Transposition ihrer Struk-
tur; das heißt aber nichts anderes, als daß hier
kein willkürlicher Ausschnitt aus einer „an-
dern" Wirklichkeit, sondern eine aufs höchste
durchorganisierte Welt voll eigner Wirklich-
keit gegeben wird.

Die heutige Künstlergeneration ist viel stär-
ker als sie selbst vielleicht es ahnt, von fran-
zösischen Ergebnissen beeinflußt. Unter den
jungen Deutschen, die von der Seelengespen-
sterei des Ezpressionimus sich weg- und dem
herzhaft Dinglichen sich zuwandten, hat der
Münchener Alexander Kanoldt in bemer-
kenswerter Weise Schule gemacht. Sein Still-
lebentypus geht auf Cezanne, gelegentlich auch
auf Matisse zurück, doch ist seine Leistung
weniger Fortführung dervondiesenaufgestellten
Probleme als vielmehr eine Art allgemeinver-
ständlicher Interpretation derselben. Freilich
darf man dabei nicht übersehen, daß gewisse
Momente dabei verniedlicht werden und die
 
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