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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Habicht, Victor Curt: Alte Kunst am Mittelrhein: Ausstellung im Hessischen Landesmuseum, Darmstadt 1927
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0034

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Alte Kunst am Mittelrhein

MAX UNOLÜ—MÜNCHEN

GEMÄLDE »WINTER«

nicht durchgefühlt ist, muß bei dieser Orien-
tierung allerdings durchbrochen werden.

Ein besonderes und — wenn man will —
unverkennbares Gesicht einer eigenen mittel-
rheinischen Schule entschleiert sich zunächst in
den Miniaturen, die in dieser Ausstellung über-
haupt ein — im Vorwort des Katalogs leider
unberücksichtigtes — Gewicht besitzen. So
gut uns die Miniaturen Fuldas — durch Zimmer-
manns Arbeit — in ihrem Entwicklungsgang
bekannt sind, so wenig wissen wir bis jetzt
über die zweifellos anzunehmende Mainzer
Schule. Vom 8. bis 16. Jahrhundert reichende
Arbeiten liefern ein vorzügliches — hoffentlich
bald ausgenütztes — Material. Dank Backs
grundlegender Arbeit sind wir über die Ent-
wicklungslinien der Malerei und Plastik wenig-
sten des 14. und frühen 15. Jahrhunderts —
besser unterrichtet. Allein, eine unvergleichliche
Möglichkeit für dieErweiterung unserer Gesichts-
punkte bietet die Ausstellung auch in dieser
Hinsicht. Die Plastik gewinnt nach interessanten
Ansätzen mit einer Reihe von Arbeiten um 1240
Anschluß an Gipfelpunkte deutscher Bildhauer-
kunst — und zwar an das Schaffen der Werk-
statt des Meisters der berühmten Naumburger

Stifterfiguren. Ohne auf die vermutlichen realen
Beziehungen hier näher eingehen zu können,
muß betont werden, daß ein Reichtum an charak-
terologischer und physiognomischer Ausprägung
erscheint, der mit als eine Konstante der mittel-
rheinischen Kunst angesehen werden darf und
schon um 1300 in dem Relief mit der Steinigung
des hl. Stephan zu überraschenden, fast kari-
kierenden Lösungen führt. Das reiche 14. Jahr-
hundert ist mit erstrangigen Werken vertreten,
die sicher mitdazu beitragen werden, die Wissen-
schaft zu fördern. Die bekannteren Arbeiten um
1400 haben in den spezifisch mittelrheinischen
Tonplastiken einen eigenartigen Sammelpunkt
der Kräfte gefunden. (Dernbacher Beweinung
und ihr Kreis.) Interessant ist die Nachwirkung
bezw. Beibehaltung des Materials bei einer um
1460 entstandenen stehenden Madonna und
verschiedenen anderen Arbeiten.

Die Bildhauerei gewinnt starke Möglichkeiten
dann erst eigentlich wieder am Ausgang des
Mittelalters. Wenn Backhoffens Werke fehlen
mußten, bieten Arbeiten wie die des hochinter-
essanten Meisters der Madonna von Eltville
und die riesenhaften Statuen des Babenhausener
Altars vollen Ersatz für diese barocke Gotik.
 
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