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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Lismann, Hermann: Hermann Lissman, Frankfurt a. M.: Äusserungen des Malers
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0193

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h ermann
l I s m a n n
»mädchen am
fenster« 1925

HERMANN LISMANN-FRANKFURT A. M.

äusserungen des malers

Der Kriegbedeutete für meine Arbeit nicht nur
vier Jahre Zeitverlust; der Zusammenbruch
der Nerven- und Körperkräfte erregte bei mir
(ebenso wie bei vielen andern) Verwirrung, Ver-
sagen der lebendigen, inneren Spannung. Aber
die Wandlung, welche ich durch die Teilnahme
am Krieg erfahren, wirkte innerlich weiter. Die
Ideale meiner früheren Jugend, die Ideale des
wilhelminischen Zeitalters, Bildung und Intellek-
tualismus, waren mir entfremdet, und die neuen
Begriffe und Ideen, welche sich meiner bemäch-
tigten, mußten auch allmählich in meiner Malerei
ihren Ausdruck finden. Daß die leichtfertige
Vernachlässigung der Form nur eine vorüber-
gehende Ausdrucksweise sein konnte, hatte ich
schon in meinem 1921 erschienenen Büchlein
„Wege zur Kunst" festzustellen versucht. Es
wurde mir — neben einer lebendigeren, nicht nur,
wie früher, von kulturellem Geschmack beding-
ten Koloristik, — immer mehr Bedürfnis, aus
dem flächigen Zweidimensionalen in die Raum-
kunst der dreifachen Ausdehnung überzugehen.

Ich kam zu der Überzeugung, daß das Zwei-
dimensionale, welches allen früheren, besonders

den östlichen Völkern als vollendeter Ausdruck
für ihre künstlerische Darstellung gedient hatte,
bei uns keine Entwicklungsmöglichkeit mehr
haben könne und daß jeder derartige Versuch
verurteilt sei, in dekorativer Leere oder orna-
mentaler Spielerei zu verebben.

Unsere kubistischen und ähnliche Versuche
hatten uns aber eines zurückerobert, was in den
letzten zwanzig Jahren des 19. Jahrhunderts ver-
loren gegangen war: das Bildornament, jene
rhythmische Gliederung, Belebung und Anord-
nung der Bildfläche, wie wir sie bei allen früheren
Stilen beobachten können. — Die große Frage-
stellung bleibt heute, mit der formal gesteigerten
dreidimensionalen Raumwirkung Farbe und Or-
nament zu vereinbaren, ohne ins Zweidimen-
sionale — das eigentliche Gebiet dieser beiden
Funktionen — zurückzugleiten. Zugleich ist
heute mein Bestreben, das Handwerkliche mehr
und mehr zu vervollkommnen und in dem „Fertig-
malen" eines Bildes die wundervolle Technik der
Gotiker anzustreben, welche alles „Schumme-
rige", alles Verwaschene, zu Gunsten einer er-
höhten Lichtwirkurg meidet, hermann lismann.

XXXI. Dezember 1927. 2 »
 
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