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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Hofmann, Herbert: Internationale Buchkunst-Ausstellung, [1]: Bemerkungen zur deutschen Abteilung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0061

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J NTE RNATION ALE
BUCHKUNST
AUSSTELLUNG

LEI RZIü-1927

JUNI-$EIT.TÄ<!L-10-7UMR

PLAKAT
RUDOLF
K O C H —

OFFENBACH

INTERNATIONALE BUCHKUNST-AUSSTELLUNG

BEMERKUNGEN ZUR DEUTSCHEN ABTEILUNG

Das Buch verdankt seine ursprüngliche Exi-
stenz einer größeren geistigen Not, vielen
zu schenken, was sich in einem Individuum zum
drangvollen Erlebnis oder zur endlichen Er-
kenntnis formte. Der Gedanke nahm die Oe-
stalt des Wortes und Satzes an, wurde geord-
neter Begriff und klare Logik, reihte sich mit
anderen und vielen Gedanken seines Sinnes und
wuchs in die Breite und Länge. Innerlich zu
Form und Rhythmus gefangen, rief er nach der
Form seines Ausdruckes. ,

Aus tastenden Zeichen bildete sich der■Buch-
stabe ; zunächst eine Notform — innerlich blieb
er bis heute Notform. Äußerlich ragte er bald,
von gestaltenden Händen gemeistert, zur sym-
bolischen Zeit- und Geistform auf und wurde
geformte Deutung einer bestimmten Mensch-
heitsperiode. Der Buchstabe reihte sich nach
der Fülle der Gedanken ins fast Unbegrenzte
und forderte mit gleichem Recht für seine Bru-
der Heimat. Am Ende einer langen, viel ge-
wundenen Entwicklung ist diese Heimat des
Gedankenbuchstabens das Buch, wie wir es
heute als kostbares Heiligtum oder als wohlfeile
Marktware kennen. Das Buch als „Gebunden-

XX*I. OktoW 1927. 6

heit" vieler Gedanken und Blätter zu einem
innerlich und äußerlich begreifbaren Ganzen.

Aus dem Wissen von der Würde der Ge-
danken, aus der Verpflichtung einer zwingenden
Geistigkeit gegenüber und aus dem Empfinden
eines gestaltungheischenden Restes, der sich
über das rein Gedankliche des Buches hin aus-
spannte, entwickelte sich die Notform des
Buches zur Kunstform. So also entstand die
Buchkunst! Als ein bildnerischer Vorgang,
der von innen nach außen wächst, aus dem
Geistig-Abstrakten ins Geistig-Reale; einerlei,
ob es sich hierbei um Illustration oder Einband,
um Buchformat oder Titelkomposition, um
Druckbild oder Einzeltype handelt.

Dieser eigentümliche Urgrund des buchkünst-
lerischen Schaffens, die wesensbedingte Ver-
knüpfung der künstlerischen Ausdrucksform mit
der Individualität des literarischen Buchgehaltes
bestimmte auch die geistigen Voraussetzungen
dieses Schaffens : die seelische Einfühlungsgabe
des Künstlers in die spezifische literarische Sphäre
des Buches, in die Eigenart seines Stimmungs-
gehaltes, in den Rhythmus seiner Sprache. Der
Grad dieser Erlebensfähigkeit entscheidet über

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