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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Schmitz, Oscar A. H.: Das Hässliche in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0127

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FRANZ MARC f

GEMA1.DE »PFERDE«

DAS HÄSSLICHE IN DER KUNST

VON OSCAR A. H. SCHMITZ

Schon in der Zeit des Naturalismus war der
Haupteinwand gegen die moderne Kunst,
daß sie mit Vorliebe das Häßliche darstelle. Der
Standpunkt solcher Kritiker ging von jener bür-
gerlichen Verlieblichung der Welt aus, die sagte,
das Leben biete des Häßlichen genug, in der
Kunst aber wolle man wenigstens die Schön-
heit sehen. Das Ergebnis war der sogenannte
■•Kitsch" sentimentaler Genremalerei und süßer
poldschnittlyrik. Junge Mädchen schwärmten
heim Kochtopf und Strickstrumpf von „ihm,
dem Herrlichsten von allen", die derbe Stall-
magd wurde als Defreggerdirndl frisiert. Dem
gegenüber wollte der Naturalismus die Welt
2e»gen, „Wie sie ist", worauf schon in den neun-
i'^ÜT ^a^lren Hugo von Hofmannsthal einmal

fragte,

wozu es nötig sei, wenn man einen Mops

habe, diesen auch noch gemalt zu besitzen.

•»sachlich wäre Kunst, die weiter nichts wollte,
als clie \Y/ ii .

e- weit, so wie sie ist, wiederzugeben, nur

aber a0her Ersatz für die Welt Kunst wiU
r etwas anderes sein als Leben und Natur,

und ihr Verhältnis zur gegebenen Wirklichkeit
ist mehr, als das eines Ersatzes.

Jene „Kitsch"ästhetik des liberalen Bürger-
tums des 19. Jahrhunderts ist ein bleichsüch-
tiger Nachkomme des klassischen Idealismus,
und der Naturalismus hat diesen zugleich mit
seinem nichtsnutzigen Sprößling abgelehnt. Der
klassische Idealismus verlangte, die Kunst solle
erheben, und zwar in das Reich des „Wahren,
Schönen und Guten". Das ist immerhin ein
Unterschied. In unverkennbarer Abhängigkeit
vonPlato, dem Vater allen Idealismus, erscheint
hier die Welt als der unvollkommene Ausdruck
einer tieferen oder höheren Wirklichkeit. Diese
aber sei es, die der Künstler vollkommener dar-
zustellen habe, als es das Leben vermag. Die
Karrikatur dieser Auffassung ist jene nachge-
borene Kitschästhetik, die ja auch an der Un-
vollkommenheit der Welt leidet, aber statt
tieferen Sinn zu suchen, der die Unvollkom-
menheit adelt, flüchtet sie in eine glatte Schein-
welt, wo das Gute belohnt, das Böse bestraft
 
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