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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Fechter, Paul: Der neue Bildersturm
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0248

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Der neue Bildersturm

kunstgewerbeschule—halle

»kassette' silber mit email«

der Vergleich zutreffen sollte, auf den Menschen
angewandt werden: er wäre die Maschine, die
wohnen soll. Er ist aber keine Maschine, und
seine Wohnung kein Maschinensaal, nicht ein-
mal ein Büro, von dessen Sachlichkeit diese
ganze Tendenz zum Teil ausgegangen ist. Er ist
ein Mensch, der dauernd Sehnsucht nach Ordnung
hat und nach Halt an der Ordnung, und diese
seine Sehnsucht kommt in dem konsequenten
Kubismus der heutigen neuen Sachlichkeitsarchi-
tektur zu einem zwar primitiven aber deutlichen
und verständlichen Ausdruck. Er ist aber eben-
so ein Wesen der absoluten Unordnung, der
Ordnungsfeindlichkeit; neben der Mathematik
braucht er die Romantik, mag sie nun Makart
oder Sichel, Cimabue oder van Gogh heißen.
Eine Maschine darf keinen Widerspruch haben;
sonst fliegt sie in die Luft; der Mensch lebt vom
Widerspruch und wird immer von ihm leben.

Darum können die Maler und die Kunstge-
werbefirmen auch ganz ruhig den Bestrebungen
der neuen Sachlichkeit zusehen, sie als seelisch
unhygienisch von den Wänden und aus den
neuen Raumgefügen zu entfernen. Die Welt
braucht offenbar von Zeit zu Zeit einen Bilder-
sturm, pflegt ihn in guter Gesundheit zu über-
stehen und hinterher einen doppelten Bedarf an
Bildern zu entfalten. Aufgabe der Maler wäre
es lediglich, nach Möglichkeit diese bilderlose,
schreckliche Zeit abzukürzen. Sie haben die

Mittel dazu selbst in der Hand; sie brauchen nur
so gute Bilder zu malen, daß die Menschen bei
ihrem Anblick a tempo die ganze neue Sachlich-
keit und die Wohnmaschinen und die leeren
Wände und den ganzen Kubenfanatismus über
den Haufen werfen und schleunigst einen neuen
Stil erfinden, in den diese neuen schönen Bilder
nun aufs Beste hineinpassen. Angstzuhaben brau-
chen sie nicht: das Bild hat schon soviel Stile
überdauert, von der Antike bis zur Renaissance,
von der Gotik bis zum Jugendstil, daß es ganz
bestimmt auch die neue Sachlichkeit wohlbe-
halten überdauern wird. Das einzige, was ihm
gefährlich werden könnte, sind die großen Kunst-
ausstellungen; aber die haben ja nichts mit der
neuen Sachlichkeit zu tun. Wie man denn über-
haupt dies Unternehmen nicht überschätzen
sollte; es ist trotz Bauhaus und Stuttgarter Aus-
stellung zuletzt doch ein ganz kleiner Kreis, der
an diesen Dingen tätigen Anteil nimmt, und der
deckt sich noch nicht einmal mit dem Kreis der

Leute, die Bilder kaufen........... p. f.



Der Mensch ist kein einmal festgelegter Typus,
mit dem man so einheitlich und über einen
Leisten verfahren kann, sondern unterliegt ganz
der Wandlung und der Rangordnung, die die
physikalische Natur in allen ihren „Betrieben,
Werkstätten" anwendet, um etwas zu fördern
und um wachsen zu können. . . . franz marc.
 
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