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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Koch, Alexander: Zum 40 jährigen Jubiläum der Verlagsanstalt Alexander Koch, Darmstadt: vom Herausgeber
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0263

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Alexander Koch's 40jähriges Berufs-Jubiläum

meine Erwartungen vollauf erfüllte. Das aus
praktischer, helfender Gesinnung Entstandene
hat kräftig Wurzel gefaßt. Das Kunsthandwerk
wie die bildungsfähigen Kreise des Volkes haben
mit Begierde nach dem neuen Blatt gegriffen.
Es ist als erzieherisches Organ der Anregung
und Ausbreitung mit den nahezu vier stolzen
Jahrzehntenmodernenkunstgewerblichen Schaf-
fens aufs engste verbunden. Seine Wirkung
erfaßte nicht nur das Inland, sondern es hat
mit seinem Preis deutschen Fleißes, deutscher
Formfindung und deutscher Wohngesinnung
Eingang in alle Kulturstaaten der Erde gefunden.

Wesentlich für die „Innen-Dekoration" ist
es, daß in ihr zum ersten Male der Grundge-
danke meiner vorherigen und meiner ganzen
späteren Arbeit zum offenen Ausdruck kam:
der Wunsch, einBindeglie d zwischen Kunst
und Leben, zwischen Künstler und Volk zu
sein, eine Arbeit mit doppelter Angriffsfläche
zu leisten, indem der Künstler zu breitester
Auswirkung, das Publikum zu eigenem Urteil
und verständnisvollem Mitgehen gebracht wer-
den sollte. Den Jüngeren mag ein solches
Problem heute als eine Selbstverständlichkeit
erscheinen. Sie dürfen aber nicht vergessen,
daß, wenn dies der Fall ist, darin schon das
Ergebnis unserer jahrzehntelangen Arbeit liegt.
In meiner Jugend lag zwischen dem Künstler
und dem Volk eine breite Kluft. Die Kunst,
besonders die angewandte, war Sache des Ate-
liers, der Werkstatt. Sie ging den Spezialisten
an, den Dekorateur, den Fachmann. Ja, viel-
fach war noch nicht einmal dieser zur Selbst-
ständigkeitgelangt, sondern wirkte als abhängige,
namenlose Kraft in einem kaufmännischen Be-
trieb, im Möbelgeschäft. Im Bewußtsein des
Volkes war noch keine Spur jener Auffassung,
die die Kunst als einen Bestandteil des Lebens
versteht, beide tausendfach voneinander ab-
hängig, beide unauflöslich verbunden, jedes nur
mit Hilfe des anderen zu begreifen und zu ent-
rätseln. Nur wenige, lebendige Geister waren
von dieser Auffassung erfüllt. Ihr zu dienen
war der Wunsch und die Bestimmung
meines Lebens. Die Kunst aus der Gefangen-
schaft der Ateliers zu erlösen, sie in den Dienst
des Menschen zu stellen, das Verständnis im
Volk zu wecken, den Geschmack zu schulen,
und somit von allen Seiten zum Ideal einer
durchgebildeten, restlos erfüllten Lebensform
der Nation zu gelangen — das ist die geheime
Absicht meines Tuns.

Nach dem, was ich über die allgemeine Rich-
tung meines Schaffens gesagt habe, kann es
nicht wundernehmen, daß der Erfolg der „Innen-
Dekoration" mir nur zum Ausgangspunkt für

eine neue Unternehmung von abermals erwei-
tertem Gesichtspunkt wurde. Es trat jetzt die
Möglichkeit an mich heran, die Aufgipfelung
meines Lebenswerks zu geben. Die Kunst
als lebenformende Macht, das war in vol-
lem Umfang darzustellen. Der Innenraum war
Rahmen des Lebens. Nun galt es zu zeigen,
wie in diesen Rahmen die Kunst selbst als
Gemälde, als Graphik, als Plastik eintritt, um
ihr geistig deutendes Wort zu sprechen. Und
so befestigte sich in mir der Gedanke, eine
neue Zeitschrift in den Dienst der Kunst
und des Handwerks, oder, wie man bis vor
kurzem gerne sagte, der „hohen" und der „an-
gewandten" Kunst zu stellen. Diese Zeitschrift
trat unter dem Namen „Deutsche Kunst und
Dekoration" im Jahre 1896 ins Leben.

Ein von mir verfaßter „Aufruf" an die deut-
schen Künstler und Kunstfreunde leitete
das erste Heft ein. Er knüpfte scharfe Kritik
daran, daß „Anfang der sechziger Jahre durch
die Einführung des Begriffes „Kunstgewerbe"
eine Sondergruppe von Künstlern zweiter Klasse
geschaffen wurde. Diese falsche Standes- bezw.
Tätigkeitsscheidung war der schwerste Schlag,
der die deutsche Kunst und das deutsche Kunst-
gewerbe treffen konnte; denn er vernichtete
bei Publikum und Künstlern das Bewußtsein
der natürlichen Zusammengehörigkeit aller bil-
denden Künste, der Notwendigkeit eines In-
einanderaufgehens sämtlicher Künste!
Architekten, Bildhauer, Maler und technische
Künstler, die sogenannten Kunstgewerbetreiben-
den, sie alle gehören auf das engste zusammen
und auf einen Platz, selbstdenkend, aber doch
Hand in Hand schaffend für ein großes Ganzes!"
Es kam also an auf die Förderung einer
mitten im Leben stehenden, vom Volke
getragenen, gesunden deutschen Kunst."

Somit hat die „Deutsche Kunst und De-
koration" wohl als erste unter den einschläg-
igen Zeitschriften jenes Programm aufgestellt,
um dessen Verwirklichung sich die späteren
Jahrzehnte nicht umsonst bemüht haben. Es
ist der „Deutschen Kunst und Dekoration" ver-
gönnt gewesen, diesem Ringen in all seinen Ab-
schnitten wertvolle Dienste zu leisten. Die
Zeitschrift wurde gemeinsam mit der „Innen-
Dekoration" den neuen Formbestrebungen
zum Organ der Veröffentlichung, der Auswir-
kung, der Propaganda und der Ermutigung. Sie
wirkte als eine Art „Dauerausstellung im Bild".
Sie gab dem Bemühen des Einzelnen Widerhall
in der Gegenwart und eine Dauer über den
Augenblick hinaus. Insbesondere gelang es ihr
auch, das Publikum zur freudigen Teilnahme
an dem neuen Geschehen heranzuziehen.
 
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