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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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H. R.: Neue Keramik von Vally Wieselthier
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0321

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VALLY WIESELTHIER

»BAUKERAMIK«

NEUE KERAMIK VON VALLY WIESELTHIER

In diesen neuen Arbeiten derbekannten Wiener
Künstlerin ist es auf eine Verbindung von
Pflanzenwuchs und keramischem Kunstwerk ab-
gesehen. Vegetativ, fröhlich, blumenhaft, wie
die Art dieser Keramik nun einmal ist, sieht
sie im Blatt- und Strauchwerk und zumal in der
Blume ihre natürliche Verwandtschaft. Diese
Verwandtschaft ist sehr alt. Und sie ist beson-
ders da hervorgetreten, wo sich ohnehin der
Geist des Menschen mit dem Geist der Natur
begegnet: im Garten. Bis vor kurzem war kein
Ziergarten denkbar, in dem nicht Zwerge, Pilze
Rotkäppchen und sonstige Scherze ihr Wesen
trieben. Sie sind eines Tages verbannt worden,
als man ihre ästhetische Nichtsnutzigkeit einsah.
Aber weshalb setzt man heute, wo man von
neuem die Verträglichkeit von Pflanzenwerk
und Keramik eingesehen hat, nichts Besseres an
ihre Stelle? Wie herrlich stehen in alten Par-
ken die steinernen Göttinnen, wehmütig oder
lächelnd, lebendige Menschengedanken im flu-
tenden Naturelement, das von ihnen erhöht,
pointiert und gegliedert wird! Natur und Men-
schenwerk sind Gegensätze; aber gerade des-
halb ergibt sich aus ihrem Zusammentreffen stets
eine köstliche, würzige Spannung. Sie steigern

sich wechselseitig in ihrer Bedeutung. Sie geben
die Eigenart des Partners stärker zu fühlen.
Und ihr Nebeneinander erinnert den Menschen
aufs Schönste an das Grundlegende, nämlich an
die Zweiseitigkeit seines Wesens, das teils der
Natur, teils dem Geist angehört. Nirgends wirkt
eine Kunstform, sei es ein Bildwerk, sei es auch
nur eine behauene Quellfassung oder eine kleine
steinerne Brücke, schöner und bedeutender als
im Wald oder in einem großen Park. Und nir-
gends ist die Naturform, sei es auch nur Blatt-
werk oder Gesträuch, lebensvoller, elementarer
als in der Nachbarschaft eines Gebildes von
Menschenhand. Der Gegensatz ist nicht so
schroff, daß er stört, die Übereinstimmung nicht
so vollständig, daß der Gegensatz verschwindet;
daraus ergibt sich die reilvolle Wirkung.

Vally Wieselthier ist wie wenige geeignet,
Figuren zu schaffen, die sich gefällig auf die
Formen pflanzlichen Lebens einstellen. Ihre
Kunst hat etwas Spielendes, ja sogar Spiele-
risches. Sie ist selber pflanzenhaft und ganz
geschöpflich. Es ist eine Kunst aus naiver Le-
bensfreude, sie besteht aus lauter hübschen
Einfällen, aus Schalkhaftigkeiten und Kokette-
rien, ist locker wie eine Blumengarbe, leicht-

XXXI Januar 1928. 7»
 
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