GEOKG KARS—PARIS
GEMÄLDE »ODAL1SKE«
NEUE BILDER VON GEORG KARS
VON DR. OSKAR SCHÜRER
Der Pariser „Salon d'Automne" ist für die
Wissenden eine alljährlich wiederkehrende
Tatsache der „5000", die man nicht allzu wichtig
nimmt. Man weiß: in endlosen Sälen und Korri-
doren wird man die Produktion des Jahres aus-
gehängt finden, 5000 Bilder. Tausend oder mehr
Maler stellen ihre Leistung zur Schau, und die
Frage ist nur, ob der Markt aufnahmefähig ge-
nug ist, all das oder wenigstens ein gut Teil
davon aufzunehmen. Man geht also nicht mit
großen Erwartungen hin. Und meist auch nicht
ohne Voreingenommenheit. Brächte man die Un-
voreingenommenheit auf — und der Ausländer
ist dazu vielleicht eher imstande als der Pariser
Kenner —, so müßte man doch erstaunt sein
über den gutenDurchschnitt der Malerei, die man
dort findet. Zugegeben: überzeugende Leistun-
gen findet man wenig. Aber das Mittelmaß weiß
dort mit seinem Handwerk so meisterlich umzu-
gehen, daß man wieder einmal einen hohen Re-
spekt vor der Pariser Maltradition bekommt. Ja
merkwürdig: angesichts dieses ausgesprochenen
Mittelmaßes malerischer Betätigung bekommt
man diesen Respekt noch überzeugender als vor
dem Genie, denn nur hier wird einem das Tra-
gende des Handwerks so stark bewußt, was man
angesichts der genialen Leistung naturgemäß
gern auf das Positivkonto des Begnadeten setzt.
Paris erzieht zum Sehen und zum Wiedergeben
des Gesehenen in erstaunlicher Sicherheit, und
ein selbstverständlicher Geschmack hält dort
alles, auch das Unbedeutende, auf einer nicht
wegzuleugnenden Höhe der Malkultur.
Dieser Eindruck eines guten Durchschnitts
ist so stark, daß darüber der Eindruck der
Spitzenleistungen zu entschwinden droht. Maler
wie Matisse, Vlaminck und die andern „Namen"
werden förmlich zurückgesaugt vom guten D urch-
schnitt, ihre besondere Leistung ragt kaum her-
vor. Der Durchschnitt schult sich an ihnen
— in ganz anderem Maße wie man sich bei
uns an den Prominenten schult — und rückt
ihnen dadurch so dicht auf die Fersen, daß
Abstände nur mit leisen Nuancen sich vonein-
ander abheben. All dies gilt natürlich nur von
der geschmackssicheren Technik der Pariser
Malerei, — die eigene Schau, der persönliche
Empfindungsgehalt des wirklichen Kunstwerks
bleibt sporadische Erscheinung. Ja, gerade im
Kontrast zu dem geschmackvollen Können der
XXXI. Miirz 1928. 1
GEMÄLDE »ODAL1SKE«
NEUE BILDER VON GEORG KARS
VON DR. OSKAR SCHÜRER
Der Pariser „Salon d'Automne" ist für die
Wissenden eine alljährlich wiederkehrende
Tatsache der „5000", die man nicht allzu wichtig
nimmt. Man weiß: in endlosen Sälen und Korri-
doren wird man die Produktion des Jahres aus-
gehängt finden, 5000 Bilder. Tausend oder mehr
Maler stellen ihre Leistung zur Schau, und die
Frage ist nur, ob der Markt aufnahmefähig ge-
nug ist, all das oder wenigstens ein gut Teil
davon aufzunehmen. Man geht also nicht mit
großen Erwartungen hin. Und meist auch nicht
ohne Voreingenommenheit. Brächte man die Un-
voreingenommenheit auf — und der Ausländer
ist dazu vielleicht eher imstande als der Pariser
Kenner —, so müßte man doch erstaunt sein
über den gutenDurchschnitt der Malerei, die man
dort findet. Zugegeben: überzeugende Leistun-
gen findet man wenig. Aber das Mittelmaß weiß
dort mit seinem Handwerk so meisterlich umzu-
gehen, daß man wieder einmal einen hohen Re-
spekt vor der Pariser Maltradition bekommt. Ja
merkwürdig: angesichts dieses ausgesprochenen
Mittelmaßes malerischer Betätigung bekommt
man diesen Respekt noch überzeugender als vor
dem Genie, denn nur hier wird einem das Tra-
gende des Handwerks so stark bewußt, was man
angesichts der genialen Leistung naturgemäß
gern auf das Positivkonto des Begnadeten setzt.
Paris erzieht zum Sehen und zum Wiedergeben
des Gesehenen in erstaunlicher Sicherheit, und
ein selbstverständlicher Geschmack hält dort
alles, auch das Unbedeutende, auf einer nicht
wegzuleugnenden Höhe der Malkultur.
Dieser Eindruck eines guten Durchschnitts
ist so stark, daß darüber der Eindruck der
Spitzenleistungen zu entschwinden droht. Maler
wie Matisse, Vlaminck und die andern „Namen"
werden förmlich zurückgesaugt vom guten D urch-
schnitt, ihre besondere Leistung ragt kaum her-
vor. Der Durchschnitt schult sich an ihnen
— in ganz anderem Maße wie man sich bei
uns an den Prominenten schult — und rückt
ihnen dadurch so dicht auf die Fersen, daß
Abstände nur mit leisen Nuancen sich vonein-
ander abheben. All dies gilt natürlich nur von
der geschmackssicheren Technik der Pariser
Malerei, — die eigene Schau, der persönliche
Empfindungsgehalt des wirklichen Kunstwerks
bleibt sporadische Erscheinung. Ja, gerade im
Kontrast zu dem geschmackvollen Können der
XXXI. Miirz 1928. 1