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Leonardo
Leonardo da Vinci — Berlin, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42331#0116

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LEONARDO ALS ZEICHNER

Die Zeichnung ist für Leonardo Buchstabe, Wort, Satz, Satzgefüge. Statt sich in Worten auszu-
sprechen, drückt er sich mit dem Silberstift, dem Bleistift, der Kohle oder der Feder in der Zeichnung
aus. Es ist sozusagen eine Idealschrift, die seinen Gedankengängen und seinen Einblicken in das Wesen
der Dinge folgt. Die rasche Beweglichkeit seiner Einfälle offenbart sich in jedem einzelnen Blatt,
beispielsweise deutlich in jenem (Paris, Louvre, Nr. 2022), auf dem ein Mann mit vorgestrecktem Arm,
ein Bogenschütze, ein Feuchtigkeitsmesser, eine Madonna mit Kind, eine Gruppe von fünf Aposteln,
Christus beim Abendmahl, zwei Hirten im Gespräch und ein sich verzweifelnd das Gesicht
bedeckender Mann dargestellt sind; wenn die Madonna mit Kind übrigens vielleicht später mit Blei
gezeichnet ist, wurden die anderen Zeichnungen mit Darstellungen ein und desselben Modells, die
auch dieselbe Haltung mehrmals wiederholen, wahrscheinlich zur gleichen Zeit in Feder entworfen.
Neben den freien Zeichnungen, in welchen Leonardo seine Empfindungen und Ideen offenbart,
stehen dann jene anderen, die uns einen Einblick in die Genesis seiner malerischen oder plastischen
Werke geben. Mit welcher Beharrlichkeit er die Gestalt seiner Figuren, die endgültige Form seiner
Schöpfungen ergründet, kann man zum Beispiel an dem Studienblatt für die „Madonna mit der
Katze" sehen: hier presst das Kind die Katze in seine Arme, dort hält es sie unter der Achsel und
bedeutet mit der Rechten seinen Gespielen, sie zu bewundern; da ist es bereit, seinen Besitz zu
verteidigen, dort wieder bietet es sie an oder schmiegt sein reizendes Kinder köpf chen an das Tier.
Die erste datierte Zeichnung Leonardos bewahren die Uffizien in Florenz« Sie trägt die Inschrift:
„Di de Sta Maria della Neve
adi 5 daghosto 1473".
Diese Landschaft ist von besonderer Bedeutung: bildet sie doch nicht einen von einem
bestimmten Punkt gesehenen Ausschnitt, wie in vielen Gemälden, sondern eine ausgedehnte Szenerie,
ein Panorama. Die anfangs erwähnte Inschrift wurde von Leonardo mit der Linken in Spiegelschrift
aufgesetzt, und auch Teile der Zeichnung sind mit dieser Hand ausgeführt: so etwa die Schraffierung
des gekurvt nach unten abfallenden Erdreichs. Die Landschaft, die von Domenico Veneziano darge-
stellt, von Piero della Francesca im Quellgebiet des Tiber entdeckt, von Baldovinetti oder Pollajuolo
in den ausgedehnten toskanischen Hügelketten erlebt wurde, wird von Leonardo mit einer ganz
neuartigen Weiträumigkeit erfüllt. Über den Köpfen der beiden Engel in Verrocchios „Taufe
Christi" wiederholt Leonardo eine ganz ähnlich zwischen zwei Bergmassiven sich öffnende Land-
schaft. In der Zeichnung kann man eine bestimmte Manier feststellen, die sich in verschiedenen
frühen Blättern wiederfindet, und zwar jene Folge von spiralartigen Linien, die sich längs des
Gebirgsrückens wiederholen und die Modellierung des ansteigenden Massivs sozusagen krönen und
bekränzen. Auf der Rückseite des Blattes findet man links ein Massiv, einen Hügel, an dessen Fuss
eine Brücke endet. In spiralartigen Linien wird hier die Bewegtheit des Geländes, die Abschüssigkeit
des Abhanges, das Fliessen des Flusses und die Gewölbtheit der Baumkronen angedeutet. Spitze
Bergfelsen erheben sich hinter dem gebirgigen Hügel. Mit der Rechten sind oben auf die Zeichnung
die Worte „Zoa Morando. d'auto sono chontento" geschrieben. Unten befindet sich ein Kopf, ein
laufender Lanzenträger und, über diesen Federskizzen, eine Frauenbüste in Rötel. Damit sind wir


Leonardo - Zeichnung - Profil eines
Jünglings - Kgl. Sammlung -
Windsor


Leonardo - Zeichnung — Studie für
ein männliches Portrait - Kgl. Samm-
lung - Windsor, Nr. 12498

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