Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Leonardo
Leonardo da Vinci — Berlin, 1943

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42331#0346

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
LEONARDO DA VINCI

ALS DEKORATEUR

Leonardo als Dekorateur; in noch engeren Grenzen gesehen: als Wanddekorateur*
Das heisst in dem Bereich der reichen, nicht immer eleganten, manchmal überschwänglichen,
aber echten und lebhaften ornamentalen Malerei, welche die architektonische Dekoration des Her-
zogtums Mailand kennzeichnet: in der zweiten Hälfte des 15* Jahrhunderts*
Ich halte die Frage, ob man Leonardo da Vinci, dem Maler der „Felsgrottenmadonna“ und
des „Abendmahls“, Entwurf und Ausführung dekorativer Motive zuschreiben kann oder muss, für
erledigt: als ob man unterscheiden wollte (eine für meine Begriffe immer wertlose Unterscheidung,
wenn sie nicht vielleicht im lehrhaften Sinne nützlich ist) zwischen einem Leonardo und einem
Bramante der reinen Kunst und der angewandten Kunst*
Vielmehr behaupte ich sofort, dass die dekorativen Arbeiten Leonardos sich als seine Arbeiten
erweisen und mit grosser Wahrscheinlichkeit als von seiner Hand stammend bezeichnet werden
können, weil sie von einem Denker, einem Künstler und einem Wissenschaftler erdacht und zu-
sammengefügt worden sind*
Es ist bekannt, wie sehr und auf welche Weise die Architektur der zweiten Hälfte des fünf-
zehnten Jahrhunderts im Mailändischen nicht nur im Innern, sondern auch am Aussenbau zu dem
koloristischen Reichtum des oft rein dekorativen Freskos ohne grosse figürliche Darstellungen ihre
Zuflucht nimmt, mit gemalten Zierleisten, Mäandern, Tierstäben, Blättern und Perlstäben, um
gewissermassen — und das ist tatsächlich die Idee — durch die Malerei einen Reichtum an skul-
pierter und polychromer Marmor Verkleidung vorzutäuschen, den die Materialien und die Mittel
des Ortes nicht bequem und in reichem Masze liefern konnten*
Und daher, und nicht nur wegen der Macht der Gewohnheit und der örtlichen Tradition,
die starke Verwendung der plastischen Terrakotta, die ihrerseits wieder durch Bemalung in Wirkung
gesetzt und keineswegs immer und vielleicht seltener als man glaubt, in dem lebhaften Feuer der
eigenen Farbe gelassen wird*
Die Namen Montorfano, Foppa, Bernardino De Rossi und sogar Bramante, wenn wir uns auf
die Aufzeichnungen und Hinweise ersten Ranges beschränken, reichen aus, um die Behauptung zu
erhellen; ich könnte noch Gebäude oder Teile von Gebäuden anführen, bei denen der Name der
Künstler nicht bekannt ist*
Als Motive für diese Art der Ornamentierung werden bevorzugt: Festons und Girlanden, die
wir auch pflanzliche Motive nennen können, und Verknotungen: Motive, die ich absichtlich getrennt
von den anderen und untereinander verbunden nenne; sie sind die des Dekorateurs Leonardo da
Vinci* Sie kennzeichnen deutlich seine oder die ihm zugeschriebenen drei ornamentalen Arbeiten*
Die Dekoration der „Sala delle Asse“ im Castello Sforzesco, die Dekoration der Wölbung
der Sakristei von Santa Maria delle Grazie, die Girlanden in den Lünetten über dem Abendmahl*
Die beiden ersten sind als Werke Leonardos ziemlich bekannt* Weniger denkt man vielleicht
an Leonardo bei den Girlanden des Abendmahls, das selbst die ganze Aufmerksamkeit und Be-
wunderung auf sich lenkt; und doch stammen auch sie zweifellos von ihm*
Wie bei vielen anderen Werken und bei vielen anderen Künstlern (bei Bramante selbst zum
Beispiel) besteht die historisch belegbare Sicherheit, dass sie von Leonardo stammen, nicht* Wir
können jedoch dokumentarische Hinweise und Bemerkungen heranziehen*
Unter den Dokumenten, die uns veranlassen, die Dekoration der „Sala delle Asse“ als Leo-


Ein Schloss - Cod. Atl., fol. 292 verso-a


Gürtelschmuck - Cod. Atl., fol. 292
verso-a

307
 
Annotationen