nardos Werk anzusehen, spielen die zuverlässigen Zitate und die klaren Beweisführungen von
Luca Beltrami die grösste Rolle* Indem ich auf sie verweise, halte ich es doch für angebracht,
hier wenigstens folgenden Abschnitt zu wiederholen (*)*
„Gualtiero, einer der Vertrauten des Herzogs, schrieb am 21* April 1498 an Ludovico: „Mein
hoch würdiger und erlauchter Herr*** Am Montag werden in dem grossen Zimmer „da le asse“
im Turm die Gerüste entfernt* Meister Leonardo verspricht, das Zimmer bis Ende September fertig
zu machen, und deshalb wird man es doch geniessen können, weil die Brücken, die er aufbauen
wird, den ganzen Raum darunter frei lassen werden* ♦
„In bezug auf dies Dokument (fährt Beltrami fort), das von mir schon in der ersten Ausgabe
des Castello di Milano vom Jahre 1885 genannt worden ist, bemerkt Gustavo Uzielli auf Seite 319
seiner „Ricerche intorno a Leonardo da Vinci“: „hier meint Gualtiero, dass man das Gerüst des
Turmes, also das provisorische, aus „asse“, das heisst aus Brettern gemachte Gebälk, abbrechen
wird: nicht dass da eine „Sala delle Asse“ gewesen wäre, wie es Beltrami in dem von ihm zitierten
Absatz des Briefes ausgelegt hat* „Allerdings, wenn ausser diesem kein anderer Hinweis vorhanden
wäre, der auf eine „Sala delle Asse“ Bezug nimmt, so könnte man auch die Deutung von Uzielli
in folgendem Sinne gelten lassen: „Am Montag wird das grosse Zimmer von den Gerüsten befreit,
das heisst von dem Turm oder von dem Holzgebäude“: aber es gibt, wie man schon gesehen
hat, zahlreiche Hinweise auf eine Sala delle Asse und sogar auf die Gründe für einen solchen
Namen*
Der Meister Leonardo, von dem die Rede ist, war derselbe Leonardo da Vinci, der zur
gleichen Zeit an der „Saletta negra“ (kleiner schwarzer Saal) und an den kleinen Zimmern im
Kastell gearbeitet hat* Aus dem Brief von 1498 geht auch hervor, dass in der „Sala della Torre“
(Turmsaal) Stützen errichtet wurden, vielleicht um die Wölbung des Saales zu stützen und aus-
zubessern, auf jeden Fall, um dort den Verputz zu erneuern, den der Maler in einer Zeit von etwa
fünf Monaten ausschmücken wollte, ohne die Benutzung des Saales zu beeinträchtigen*
Es war wirklich ein merkwürdiges Glück, dass der erwähnte Brief trotz des Verlustes so vieler
Dokumente auf uns gekommen ist* Dieser Brief liefert uns dadurch, dass er die Mitarbeit Leonardos
bei der Ausschmückung der „Sala delle Asse“ beglaubigt, eine besonders wertvolle Angabe, die mit
den Schlussfolgerungen übereinstimmt, zu denen das Studium der Dekorationen führt, die Ludovico
il Moro dort ausführen liess* Die Spuren dieser Dekoration konnten glücklicherweise noch gefunden
werden“*
Als Gegenbeweis gegen all dies kenne ich nur, wofern mir nicht positive Argumente ent-
gangen sind, die schwachen Hypothesen und die ganz allgemeinen Zweifel von Malaguzzi-Valeri (2),
der sich auf die Deutung von Uzielli stützt und der doch die Widerlegung von Beltrami kennen
muss, da er dessen Monographie vom Jahre 1902 zitiert*
Malaguzzi, selbst wenig überzeugt, bleibt, als er in seinem zweiten Bande (3) auf das Argument
zurückkommt, bei folgender Verteidigung stehen: „Uneinigkeit im Urteil kann in bezug auf die
Ausführung entstehen* Aber da man heute nicht mehr die Möglichkeit hat, an Ort und Stelle —
wenn überhaupt noch sichtbare Spuren vorhanden sind — die unverfälschten Überreste der De-
koration des fünfzehnten Jahrhunderts zu studieren, beschränkt sich die Frage der künstlerischen
Vaterschaft des Werkes künftig auf das Gebiet der Induktionen und Hypothesen“*
Man kann denjenigen, der Studien und Erwägungen anstellt, nur auf die Prüfung des Werkes
verweisen, wenn es auch nach der Restaurierung nicht möglich ist, die Malweise zu analysieren*
Jedoch auch dies wird nicht allzu weit führen* Geben wir doch zu, dass „nach der harten
wenn auch geduldigen Arbeit der Wiederherstellung die Weichheit und die Kraft der Kunst des
grossen Meisters“ nicht mehr in Erscheinung treten können; aber es ist bekannt, dass Beltrami,
ein in der Technik sehr bewanderter Architekt, die Spuren der aufgefundenen Dekoration aus der
Nähe analysiert und die gemachten Feststellungen zu den stilistischen Argumenten in Beziehung
gesetzt hat, die geeignet sind, die historische Beweisführung zu bestätigen*
Ausserdem ist folgendes wertvolles Zeugnis vorhanden, das von Malaguzzi unverfälscht wieder-
gegeben wird: „***ein alter Erforscher der lombardischen Kunst (Dr* Gustav Frizzoni), der die
Möglichkeit hatte, vor der jetzigen Restaurierung die wenigen unversehrten Spuren der ursprüngli-
chen pflanzlichen Dekoration des grossen Saales zu prüfen, (die sich neben dem Fenster aus einem
grossen Stamm entwickelt, der heute zugedeckt ist) hat den Eindruck gehabt, dass sie auf Grund
ihrer Unmittelbarkeit und Lebhaftigkeit der Arbeit der Festons, die die herzoglichen Wappen im
„Refettorio delle Grazie“ umrahmen, wirklich verwandt ist“*
Und mir scheint, dass das genügt; denn der Vergleich mit der Ausführung der Girlanden
über dem Abendmahl ist von grundlegender Bedeutung* Ich muss nur bemerken, dass die Aus-
führung zweifellos ihre Bedeutung hat, aber dass sie (um es mit einem Satze aus der Mathematik
Zu erläutern) nur ein Koeffizient für die Beurteilung ist* Man muss auf die ursprüngliche Absicht
zurückgehen, und, wenn es sich um Dekoration handelt, ist es wirklich angebracht sie noch neben
der Überlieferung des Werkes heranzuziehen*
Denn das ist eine Erwägung, von der ich glaube, dass sie einen gewissen Wert hat: Die Idee
des ursprünglichen Motives der „Sala delle Asse“ ist völlig organisch und architektonisch* Sie hat
Zeichnungen für Brunnen - Kgl.
Sammlung in Windsor
308
i1) Luca Beltrami: Leonardo da Vinci e la ,,Sala delle Asse“ nel Castello di Milano. — Mailand, 1902, S. 24.
(2) Francesco Malaguzzi-Valeri: La Corte di Ludovico il Moro. — Mailand, 1913. Bd. 1, S. 315 ff.
(3) Zitiertes Werk. Band II: Bramante e Leonardo da Vinci. — Mailand, 1915, S. 562.