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Leonardo
Leonardo da Vinci — Berlin, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42331#0242

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DIE ASTRONOMIE
VON LEONARDO DA VINCI

Leonardo kann auf gar keinen Fall als ein Astronom angesehen werden* Seine forma mentis,
die hauptsächlich enzyklopädisch ausgerichtet war und die einer zur Sprunghaftigkeit neigenden
Natur entsprach, schliesst dies bedingungslos aus*
Wenn es bei dem Studium irgendeines Zweiges menschlichen Wissens notwendig ist, geistige
Disziplin mit Ordnung und Ausdauer zu besitzen, so verlangt das Studium der Wissenschaft vom
Himmel jene Disziplin in allerstrengster Form und in einem Mass, das der Weite des Versuchsfeldes
und der Schwierigkeit der anzutreffenden Probleme entspricht* Die Astronomie erfordert eine orga-
nische Methode, ausdauernde Anwendung, beständige Arbeit und vor allem Sicherheit beim Durch-
führen der Forschungen, die bei einem einzigen Gegenstand sich oft genug Jahre und Jahre hin-
ziehen können* Überdies muss das Leben eines Astronomen so ruhig und ausgeglichen wie möglich
sein* Leonardo war erfüllt von tausend verschiedenen Arbeiten — er ist Maler, Bildhauer, Architekt,
beschäftigt sich mit der Kriegskunst, der Hydraulik, Anatomie, Mechanik, Botanik, Geologie, dem
Vogelflug und noch vielem anderen — er war aus vielen Gründen gezwungen, auf die Ruhe eines
festen Aufenthaltes zu verzichten und ist häufig in Unruhe wegen misslicher Umstände oder wegen
des Neides seiner Widersacher; er ist vielleicht am allerwenigsten geeignet, sich mit der Astronomie
zu beschäftigen* Die Wissenschaft vom Himmel beansprucht den ganzen Einsatz ihrer Anhänger
und erlaubt keine Abschweifungen oder Abenteuer* Der grosse Astronom Kopern,ikus, beinahe ein
Zeitgenosse von Leonardo, findet die heliozentrische Lehre nach einer Reihe von Arbeiten, die
Jahrzehnte dauerten und seinen Geist von den Jugendjahren bis zum Tode beschäftigten* Newton
wurde einmal gefragt, wie er nur zu so vielen wunderbaren wissenschaftlichen Ergebnissen gelangen
konnte; er antwortete: Ich dachte immer nur an ein Ziel* Zur Zeit Leonardos lebte der berühmte
italienische Kosmologe Paolo del Pozzo Toscanelli, und erst kurz vorher war der nicht weniger
berühmte deutsche Astronom Johannes Müller, genannt Regiomontanus, gestorben: Es genügt ein
kurzer Blick auf die Werke dieser beiden Forscher, um sich über die charakteristischen Eigen-
schaften, welche die Arbeitsmethode eines Astronomen aus dem fünfzehnten Jahrhundert bestimmten,
klar zu werden* Keine dieser Eigenschaften scheint bei Leonardo anzutreffen zu sein*
Wenn Leonardo auch nicht ein Astronom im üblichen Sinne dieses Wortes war, so waren
ihm andererseits jedoch auch die Untersuchungen und Forschungen über einige besondere Pro-
bleme der astronomischen Wissenschaft nicht fremd*
*
* *
Zu seiner Zeit gab es das Fernrohr noch nicht* Es erscheint ziemlich sicher, dass dieses
wichtige Instrument eine rein italienische Erfindung ist und dass es in Italien zum ersten Male
gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts gebaut wurde* Wenn diese Annahme, die auf vertrauens-
würdigen historischen Zeugnissen beruht, der Wahrheit entspricht, dann kann man mit einer, der
Sicherheit nahe kommenden Wahrscheinlichkeit annehmen, dass zur Zeit Leonardos das Fernrohr
noch nicht erfunden war* Dieses schliesst nicht aus, dass man in jener Zeit nicht die Eigenschaften
konkaver und konvexer Linsen gekannt hätte und sie nicht zur Korrektur des Sehens zu benutzen


Abbildung des Globus - Totes Meer -
Cod. Leicester, fol. 36 recto

*


Verhältnis von Land und Wasser -
Cod. Leicester, fol. 35 verso

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