Links: Büste einer unbekannten Frau
- Früher Verrocchio und jetzt Leonardo
zugeschrieben - Nationalmuseum -
Florenz
Rechts: Frauenbüste - Glasierte Ter-
rakotta - Leonardo zugeschrieben -
Sammlung Lidia Doria - Rom
Flora - Wachsskulptur - Früher Ver-
rocchio und jetzt Leonardo zuge-
schrieben - Kaiser Friedrich Museum
- Berlin
Das Motiv des sitzenden Christuskindes mit dem Vögelchen in der Hand auf dem Kupferstich
B* 42 (Maria mit dem Affen) stimmt auffallend überein mit dem Bambino des Londoner Annenkartons»
Ohne Zweifel kann man noch weitere derartige motivische Verwandtschaften feststellen, ohne
dass es bisher gelungen wäre, die Art der Begegnung Dürers mit der Kunst Leonardos eindeutig zu
beschreiben*
Nicht unerwähnt darf hier bleiben, dass Dürers 6 „Knoten“, die Holzschnitte B* 140-145, auf
ähnliche italienische Kupferstiche, die die Bezeichnung „Academia Leonardo Vinci“ tragen, zurück-
gehen (*)♦
Aus allem ist ersichtlich, dass Dürer von Leonardos physiognomischen Studienköpfen, von
seinen Proportionsstudien, den Band Verschlingungen, und vielleicht auch vom Annenkarton Kenntnis
haben musste» Ob er den Karton zur Anghiari-Schlacht kannte, ist nicht mit Sicherheit zu sagen»
Leonardos Hauptwerk, das Abendmahl, hat Dürer jedenfalls nie gesehen, vielleicht aber von der
Existenz desselben gewusst»
Für Lukas Cranach d» A», bei dem bereits leonardesker Einfluss vermutet wurde (2), ist es
bisher nicht gelungen, auch nur den geringsten Beweis einer direkten Berührung zu finden»
Ebenso ungeklärt ist die Einwirkung Leonardos auf Hans Holbein d» J» (3), der anscheinend
nie in Italien gewesen ist, wie von Carel van Mander bereits ausdrücklich hervorgehoben wurde*
Andererseits glaubt man unverkennbar leonardeske Züge in seinem Werke zu sehen» So hat bereits
U» Christoffel (4) darauf hingewiesen, dass Holbein sich in Bildnissen, wie der Zeichnung „Cecily
Heron“ (Windsor-Castle), stark dem von Leonardo geprägten Ideal des weiblichen Bildnisses zuneigt»
Schon früher hat man offenbar die innere Verwandtschaft mancher Holbeinscher Bildnisse mit
Leonardo empfunden, wenn z» B» der berühmte Moretto der Dresdener Gemäldegalerie im Jahre
1746 als Bildnis Ludovico Sforzas von Leonardo da Vinci erworben wurde*
Auf verschlungenen Wegen mag die Kenntnis von leonardesken Motiven zu diesen deutschen
(x) Burlington Magazine XII, 1907, S. 41 ff. — Seidlitz: Leonardo da Vinci. Bd. II, S. 438 b und S. 268. — Scherer: Die Ornamentik bei A.
Dürer. S rassburg 1902.
(2) Suida a. . O., S. 255.
(3) Suida: Hans Holbein der Jüngere und die Kunst der Lombardei. Bericht der Amerbach-Gesellschaft in Basel. 1921, S. 13 ff.
(4) U. Christoffel: Hans Holbein d. J. Berlin o. J. Abb. 33.
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