Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Hrsg.]; Württembergischer Altertumsverein [Hrsg.]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Hrsg.]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Hrsg.]
Fundberichte aus Schwaben — N.F. 15.1959

DOI Artikel:
Nesselhauf, Herbert: Fragment eines Militärdiploms aus Owen (Kr. Nürtingen)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.66263#0094

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
76

Herbert Nesselhauf

laufende Militärjahr, die vom 2. Juli 110 in das folgende am 1. März 110
beginnende, und ebenso würden sich die beiden Konstitutionen des Jahres
153 für das rätische Heer auf zwei Militär jahre verteilen. Bei dieser Lösung
ist freilich außer acht gelassen, daß wir nicht wissen, in welchem zeitlichen
Abstand die kaiserlichen Konstitutionen dem von den Statthaltern voll-
zogenen Akt der honesta missio folgten. Es scheint, daß jeweils Ende
Dezember oder Anfang Januar die honesta missio vorgenommen werden
sollte7, die die Vorstufe bildete zu der am 1. März fälligen exauctoratio. Im
Hinblick darauf erwartet man als normalen Termin für die kaiserliche
Privilegienverleihung die Monate Januar oder Februar. Diese Rechnung
geht aber nicht auf, vielmehr verteilen sich die Daten der Konstitutionen
ziemlich gleichmäßig über das ganze Jahr. Wenn ich recht sehe, gibt es zwei
Möglichkeiten, diesen Sach verhalt zu deuten: entweder waren die Statt-
halter bei der Entlassung der Auxiliarsoldaten nicht an den vorgesehenen
Termin der honesta missio gebunden, sondern konnten von ihm abgehen,
wenn es ihnen zweckmäßig erschien, oder die kaiserliche Kanzlei ließ sich
bald mehr, bald weniger Zeit mit der Ausfertigung der Konstitutionen,
wobei zu fragen wäre, ob die Wahl des Termins für den Erlaß der Kon-
stitution im Einzelfall sachlich begründet war oder nur vom Gutdünken
der Bürokratie abhing, die ihrer Gemächlichkeit zugute halten mochte, daß
es bei einer 25jährigen Dienstzeit auf ein paar Monate mehr oder weniger
auch nicht mehr ankam. Eine Entscheidung für die eine oder andere
Deutung scheint mir bei unserer derzeitigen Kenntnis der Dinge nicht mög-
lich zu sein, bei der Erwägung des Für und Wider sollte man aber nicht
vergessen, daß man im zivilen wie im militärischen Leben die eigene Zeit
und die der Mitmenschen sehr großzügig bemaß. Die in den Militärdiplomen
immer wiederkehrende Formel qui quina et vicena aut plura stipendia
meruerunt zeigt, daß man es schon mit den 25 Dienstjahren nicht eben
genau nahm, um so weniger wird man sich mit den Formalitäten bei der
Entlassung beeilt haben. Erst die Dynastie der Severer hat mit dieser laxen
Praxis gebrochen. Seit Beginn des 3. Jahrhunderts trägt die kaiserliche
Konstitution das Datum des Tages der honesta missio. Das ist nur ein
Symptom, und zwar das harmloseste, für die veränderte Haltung, die Sep-
timius Severus und seine Nachfolger aus durchsichtigen Gründen dem
Militär gegenüber einnahmen.
Die Frage, wann die Veteranen des rätischen Heeres, für die die beiden
Konstitutionen des Jahres 153 bestimmt waren, ihre honesta missio er-
halten haben, muß also offenbleiben; wir haben aber keinen Anlaß, an-
zunehmen, daß in diesem oder in irgendeinem anderen Jahr mehr als eine
Entlassung stattfand.
Anmerkungen
1 O. Paret, Die Römer in Württemberg III (1932), 359 f.
2 Darüber F. Hertlein, Die Römer in Württemberg I (1928), 20. 35. 106, und E. Stein, Die
kaiserlichen Beamten und Truppenkörper im römischen Deutschland (1932), 15.
3 Erhalten ist nur der untere Teil von drei senkrechten Hasten, die ebensogut wie zur
Zahl III zu den Buchstaben TH des Namens (Thr(acum) gehören oder zu e]t II[I Thr.
ergänzt werden könnten. * *'
4 Einstweilen ist der früheste Beleg das Diplom CIL XVI178 vom Jahre 146, der späteste
das Diplom 108 vom Jahre 158.
5 A. Degrassi, Inscr. Italiae XIII 1, 209 und 238 f. Genannt werden die beiden Konsuln
auch in dem Militärdiplom CIL XVI 102 (vgl. add. p. 215) vom 24. Dezember 153:
Marcello et Gallo cos.
6 Zuletzt hat K. Kraft, Germania 30, 1952, 338 ff., und 34, 1956, 75 ff., die Truppenkörper
des rätischen Heeres behandelt und dabei die bis dahin strittige Frage, wie viele und
welche Alen im 2. Jahrhundert in Rätien lagen, überzeugend beantwortet.
 
Annotationen