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Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Hrsg.]; Württembergischer Altertumsverein [Hrsg.]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Hrsg.]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Hrsg.]
Fundberichte aus Schwaben — N.F. 15.1959

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https://doi.org/10.11588/diglit.66263#0255

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Besprechungen
Vorzeit an Rhein und Donau (Südwestdeutschland, Nordschweiz, Ostfrankreich). Text
von Wolfgang Kimmig, Aufnahmen von Hellmut Hell. Jan Thorbecke Verlag
Lindau und Konstanz. 132 Seiten, mit 142 meist ganzseitigen Abbildungen, dar-
unter 5 Farbtafeln. Preis 32,50 DM.
„Im Mittelpunkt des Buches steht das Bild.“ Mit diesen Worten charakterisiert
W. Kimmig, der Initiator dieses stattlichen Bandes, das Grundelement der vorliegenden
Publikation. Aber dabei kann es nicht bleiben: beim „aussagekräftigen Bild“ muß die
„fachlich begründete Erläuterung“ stehen. Erst dann kann sich der Lehrer auf ein
Buch, das ihm zur Grundlage eines erweiterten Geschichtsunterrichtes werden soll,
wirklich verlassen.
„Vorzeit an Rhein und Donau“ oder Urgeschichte im Raume nordwestlich der
Alpen lautet der landschaftsgeographisch richtig gewählte Titel. Denn „urgeschicht-
liche Kulturgrenzen decken sich nicht mit heutigen politischen Grenzen“.
In sieben konzentrierten Abschnitten, denen eine ideenreiche Einführung voran-
gestellt ist, spielt sich der Daseinskampf des vorgeschichtlichen Menschen ab, der im
frühen Diluvium beginnt und scheinbar viele Jahrtausende hindurch sich nur ganz un-
merklich verändert hat. Die Altsteinzeit unseres Gebiets wird in einigen wichtigen
Akzenten aufgezeigt, wobei sich erstaunlicherweise selbst so früh schon Bewegungen
von Mensch und Tier in Ost- und West- und in umgekehrter Richtung feststellen lassen.
Daneben aber macht der Verfasser bei aller Betonung des Wesentlichen und Bekannten
vor allem im Abschnitt „Mittelsteinzeit“ den Leser auf die vielen hier noch bestehen-
den Forschungslücken aufmerksam. Um so stärker werden einzelne Vorgänge wie die
mesolithischen Schädelbestattungen und der damit wohl zusammenhängende kultische
Kannibalismus angeleuchtet. (Die Durchschlagskraft mittelsteinzeitlicher Pfeilspitzen
hätte sich auch durch einen Neufund von Schwenningen belegen lassen, den wir
R. Ströbel verdanken.)
Reicher und differenzierter wird das Bild in der Jungsteinzeit. Der Mensch ent-
deckt die Kräfte der Erde. Er erreicht eine produktive Wirtschaftsform — er wird seß-
haft. Donauländische, westische und aus Mitteldeutschland kommende Kulturen
durchmischen sich am Oberrhein. Die Ufer der Voralpenseen werden besiedelt. Moor-
dörfer wie Thayingen werden in etwa 50jährigem Wechsel dreimal neu errichtet. Jeder
Kultur sind bestimmte keramische Leitformen eigen. (Ob allerdings die Fülle der Stein-
beile schon einen „eigenen Handwerkerstand“ verlangt, mag dahingestellt bleiben.)
Von nun an sind in den Text auch instruktive Fundkarten eingeschoben, die wie im
Falle der Glockenbecherkultur einen größeren europäischen Rahmen einnehmen.
Der Hinweis, daß die Einführung des Metalls das Dasein des spätneolithischen
Menschen zunächst kaum verändert hat, scheint mir gerade im Rahmen eines solchen
Buches wichtig. Andererseits war es gerade das Erz und seine Verarbeitung, das die
ersten „Spezialisten“ geschaffen hat. Die Horizonte um unser Gebiet weiten sich mehr
und mehr, auch wenn sich das immer noch nicht ganz ruhige Bauern- und Hirten-
dasein seiner Bewohner und auch seine Bevölkerungsdichte nicht allzu sehr verändert
haben mag. Auch bei uns bedeutet die Verwendung des Metalls Fortschritt und tech-
nische Überlegenheit, die aber nicht immer zugleich „politischer“ Natur zu sein braucht.
Wenn der Verfasser weiter in seinem Text so aktuelle Begriffe wie „Handelsoffensive“
oder gar „Gleichschaltung“ im Falle der Verschmelzung zweier Völker und Kulturen
einführt, so sollte dies nicht allzu modern bezogen und damit mißverstanden, sondern
im besonderen Rahmen dieses Buches gewertet werden.
War die Darstellung der jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Kulturen so ein-
leuchtend und plastisch, wie dies beim heutigen Wissensstand schon möglich ist, so
spürt man bei der Schilderung der älteren Eisenzeit, daß der Verfasser hier zu den
besten Kennern des Stoffes gehört. Auf allen Gebieten der Auseinandersetzung mit
den neuen zur Verfügung stehenden Werkstoffen und darüber hinaus in den geistigen
Bereichen einer neuen Jenseitsschau stößt der Mensch unseres Gebiets erstaunlich
weit vor. Aber auch hier sollte man in dessen Lebensbild nicht zu moderne Züge hin-
eintragen. Die hohe Qualität der Urnenfelderkeramik zum Beispiel kann auch im
Rahmen des gesteigerten Bedarfs mit normaler Haustöpferei erreicht worden sein.

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