RENOIR
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vollends realisiert worden. Trennen wir Kunst und Kunstgewerbe, so
trennen wir zugleich Mensch und Kunst. Aber eine Ecke in der
Wohnung Renoirs kann nicht weniger Malerei gewesen sein, als seine
Malerei selbst.
Renoir bedeutet Umsetzung der Tradition in Originalität. Die Formel
wird seinem Zustand am sichersten gerecht. Sie deutet die ewige Inver-
sion seines Wesens an. Man kann für Augenblicke die Verknüpfung
Renoirs mit der Welt seiner Überlieferungen völlig vergessen, weil so
stark die persönliche Neuheit seiner Art die Wirkung beherrscht. Das
Neue und Persönliche geht aber wieder so sehr ins Rreite, Überindivi-
duelle und ist bloßer Aktualität so sehr überlegen, daß man mitunter
nur des Ganzen, nur der Gegenwärtigkeit des Überlieferten bewußt sein
kann. Das wichtigste Geheimnis liegt darin, daß es unmöglich ist, den
Punkt zu finden, an dem das Traditionale und das Persönliche sich
scheiden. Natürlich ist es unmöglich: denn es geht um ein Quidproquo.
Eeide Elemente, das sozusagen persönliche und das sozusagen konventio-
nelle, können ausgewechselt werden, ihren Platz, ihre Funktion ver-
tauschen. Historisches (wenn das leidige Wort hier einen Sinn hat) fährt
fächerartig gebreitet, eine Hand aus dem Hintergründe, ins Gegenwärtige
vor. Gegenwärtiges ist nur eine Phase der Ewigkeit. Es gibt einen dop-
pelten Zustand der Geschichtslosigkeit: die der Primitiven und die der
sehr Kultivierten. Für Reide ist das Historische nicht etwas Entlegenes,
zu dem man durch die Räume der Zeit allmählich, mit Hilfsbegriffen
wie Entwicklung, abwärts zurücksteigt. Für Reide ist das Historische
nur eine universelle Form des Zeitgenössischen. Es liegt dem vordersten
Plan des Rewußtseins nahe. Deutsche denken vorzüglich historisch.
Renoir: Beispiel eines Lebenszustandes, dem das Historische kaum Revers
des Augenblicks, vielmehr Atmosphäre und Ozean um das perlenfarbene
Gesicht des Moments ist.
Nur in diesem Sinne kann man daran denken, daß Renoir ein Sohn von
Limoges und also der Enkel sehr alter Künste war, mit denen die Li-
mosin, Gourteys, Reymond in wunderbaren Emailen unsterblich geworden
sind. Nur in diesem Sinn darf man davon sprechen, daß Renoir — noch
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vollends realisiert worden. Trennen wir Kunst und Kunstgewerbe, so
trennen wir zugleich Mensch und Kunst. Aber eine Ecke in der
Wohnung Renoirs kann nicht weniger Malerei gewesen sein, als seine
Malerei selbst.
Renoir bedeutet Umsetzung der Tradition in Originalität. Die Formel
wird seinem Zustand am sichersten gerecht. Sie deutet die ewige Inver-
sion seines Wesens an. Man kann für Augenblicke die Verknüpfung
Renoirs mit der Welt seiner Überlieferungen völlig vergessen, weil so
stark die persönliche Neuheit seiner Art die Wirkung beherrscht. Das
Neue und Persönliche geht aber wieder so sehr ins Rreite, Überindivi-
duelle und ist bloßer Aktualität so sehr überlegen, daß man mitunter
nur des Ganzen, nur der Gegenwärtigkeit des Überlieferten bewußt sein
kann. Das wichtigste Geheimnis liegt darin, daß es unmöglich ist, den
Punkt zu finden, an dem das Traditionale und das Persönliche sich
scheiden. Natürlich ist es unmöglich: denn es geht um ein Quidproquo.
Eeide Elemente, das sozusagen persönliche und das sozusagen konventio-
nelle, können ausgewechselt werden, ihren Platz, ihre Funktion ver-
tauschen. Historisches (wenn das leidige Wort hier einen Sinn hat) fährt
fächerartig gebreitet, eine Hand aus dem Hintergründe, ins Gegenwärtige
vor. Gegenwärtiges ist nur eine Phase der Ewigkeit. Es gibt einen dop-
pelten Zustand der Geschichtslosigkeit: die der Primitiven und die der
sehr Kultivierten. Für Reide ist das Historische nicht etwas Entlegenes,
zu dem man durch die Räume der Zeit allmählich, mit Hilfsbegriffen
wie Entwicklung, abwärts zurücksteigt. Für Reide ist das Historische
nur eine universelle Form des Zeitgenössischen. Es liegt dem vordersten
Plan des Rewußtseins nahe. Deutsche denken vorzüglich historisch.
Renoir: Beispiel eines Lebenszustandes, dem das Historische kaum Revers
des Augenblicks, vielmehr Atmosphäre und Ozean um das perlenfarbene
Gesicht des Moments ist.
Nur in diesem Sinne kann man daran denken, daß Renoir ein Sohn von
Limoges und also der Enkel sehr alter Künste war, mit denen die Li-
mosin, Gourteys, Reymond in wunderbaren Emailen unsterblich geworden
sind. Nur in diesem Sinn darf man davon sprechen, daß Renoir — noch