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Marées-Gesellschaft [Hrsg.]
Ganymed: Blätter der Marées-Gesellschaft — 4.1922

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Paralipomena
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P., M.: Unterhaltung mit Veronika
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https://doi.org/10.11588/diglit.45237#0435

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264

M**

p*** / UNTERHALTUNG MIT VERONIKA

UNTERHALTUNG MIT VERONIKA
VON
M*** P***

Die Liebe ist so wunderbar, daß auch mit einem geringen Teil von ihr das Gleiche ge-
bildet wird wie mit der ganzen Liebe. Denn Gott ist es, der mit unserer Liebe bildet,
darum kann auch mit einem geringen Teil das Gleiche gebildet werden wie mit der
ganzen Liebe, und darum eben ist die Liebe wunderbar.
Wir, wir Menschen lieben nur, nur dies tun wir, unser ist nur das Gefühl, — was
aber mit dieser Liebe geschieht, das ist nicht mehr ahhängig von uns, das ist das Werk
Gottes.
Ich glaube, daß wir Menschen hier an dieser Stelle, hier mit der Liebe, über Gott herr-
schen, wir haben Gott hier an den Zügeln, denn ich glaube, Gott kann nicht bilden,
ohne daß wir lieben, unsere Liebe ist für ihn das Substrat alles Büdens, er kann nicht
ohne unsere Liebe bilden; gewiß, Gott ist mächtig und er braucht nur ein wenig von
unserer Liebe, nur ein wenig brauchen sich zwei Menschen zu lieben und Gott bildet mit
der geringen Liebe das Allergrößte, aber er braucht eben doch unsere Liebe, und darum,
habe ich gesagt, herrschen wir, indem wir lieben, über Gott, führen wir mit unserer Liebe
Gott an den Zügeln, und das macht uns auch so übermütig, wenn wir verliebt sind und so
wild und verrückt; aber ich glaube auch, daß Gott sich rächt, es gefällt ihm nicht, daß
wir über ihn herrschen, und darum wirft er oft das, was er mit unserer Liebe gebildet hat
und was gar nicht für uns Menschen gebildet ist, sondern für Gott selber — das läßt er oft
schwer auf uns zurückfallen, auf uns Arme, und wir Armen sagen dann, die Liebe sei
schwer, aber nein, die Liebe ist nicht schwer, sondern Gott hat uns getroffen, das ist
schwer. Doch, daß mich, den Einzelnen, Gott getroffen hat, daß Gott auf mich den
Einzelnen wirft, sieh’, das ist auch wieder so groß und für den Menschen nicht gemäß, so
außerhalb seiner Ordnung, so verwirrend für ihn, daß ich nicht mehr weiß: ob ich je
verliebt war, gar nichts anderes als verliebt, und dann traf mich der Wurf Gottes — oder
war jenes, das Verliebtsein, gar nicht, war überhaupt nur dies: daß mich Gottes Wurf
traf und warte ich nun erst auf die Liebe, war sie noch gar nicht da?
Ach, wo ist hier das Erste und wo das Zweite, wo ist hier die Ursache und wo die Folge?
Und darum ist auch eben gerade die Liebe das Wunderbare, weil es mit ihr geschieht,
daß für den Menschen, auch für den Menschen, Ursache und Folge einander gleich sind.
 
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