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Marées-Gesellschaft [Hrsg.]
Ganymed: Blätter der Marées-Gesellschaft — 4.1922

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Aufsätze
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Meier-Graefe, Julius: Karl Hofer
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Suarès, André: Molière (1622 - 15. Januar - 1922)
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https://doi.org/10.11588/diglit.45237#0254

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ANDRfiSUARßS

Kisten und leeren Krügen suchen wir unser Glück. Gibt es noch He-
speriden? Solange ein Hofer da ist, wird man nicht aufhören, nach ihnen
zu schweifen.

MOLIERE
(1622 —- i5. Januar — T922)

VON

ANDRE SUARES


ein Leben braucht man nicht zu wissen: in seinen Meisterwerken kann

k_^Jman es lesen. Die „Tatsachen“ machen recht wenig aus. Das ewig
Merkwürdige ist in den Gedanken und im Charakter.
Dieser große Maler war ein Meister des Lachens; aber er lachte mit nichten.
Moliere hat viel gelitten. Für den, der Ohren hat, zu hören, sind seine
Komödien von Geständnissen erfüllt. Unter allen Männern seiner Zeit ist
er der einsamste — und um so mehr, als er nie allein ist. Von Rerufs wegen
muß er öffentlich sein. Er lebt zwischen Komödianten, deren jeder sein
eignes Publikum ist. In seinem Rett noch spielt der Komödiant: für die
Porträts an den Wänden, für die Rettücher, für die Möbel. Moliere kennt
diese Tiere besser als einer. Er hat Mitleid mit ihnen wie mit verdor-
benen Kindern. Seine Nachsicht ist der Verachtung voll.
So sehe ich ihn: als den weitaus tiefsten und stärksten Mann seines Zeit-
alters zwischen Pascal und dem Herzog von Saint-Simon. Nie düpiert, un-
eingeschränkten Rlicks, auch ohne die Illusion der Poesie: so mußte er
heimlich jeden — auch sich selbst — an den rechten Platz stellen. Es ist
sicher, daß dieser Schöpfer seine Macht gekannt hat. Er hat den Wert der
einen und den der andern auf der Goldwage des Geistes gewogen. Mit vierzig
Jahren begann er zu gefallen; mit einundfünfzig Jahren ist er gestorben.
 
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