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Marées-Gesellschaft [Hrsg.]
Ganymed: Blätter der Marées-Gesellschaft — 4.1922

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Paralipomena
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Reifenberg, Benno: Edvard Munch zur Ausstellung in Zürich 1922
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https://doi.org/10.11588/diglit.45237#0497

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BENNO REIFENBERG/ EDVARD MÜNCH

281

EDVARD MUNCH
ZUR AUSSTELLUNG IN ZÜRICH 1922
VON
BENNO REIFENBERG

Eine kritische Betrachtung der Lebensbahn Edvard Munchs ist noch nicht geschrieben
worden. Sie wird erscheinen, wenn man einst das ungeheure Kapitel Geistesgeschichte,
das die Wende vom 19. zum -so. Jahrhundert behandelt, in Angriff nimmt. Dann wird
man diesem norwegischen Maler überall begegnen, in Paris und Berlin, in der Kunst-
handlung Theo van Goghs und auf der Sonderbundausstellung in Köln, bei Strindberg und
bei Dehmel. Das Ausmaß seiner Wirkungen wird kaum überschätzt werden können.
Was bis jetzt vom Leben Munchs sichtbar ist, hat diese ungefähren Umrisse: Der Arzt-
sohn, aus gutem, vielleicht schon verfeinertem Blut, wird— 1863 geboren — in Kristiania
zu einer Zeit groß, als in die Landeshauptstadt der Ehrgeiz nach der Großstadt fuhr. Er
verläßt den ihm bestimmten Beruf des Ingenieurs und lernt das Malhandwerk in guter
impressionistischer, und das ist damals allerneuester, Schulung. Die unablässigen Gesichte
seiner Einbildungskraft zu gestalten, gibt Umgang und Freundschaft mit dem Dichter
Hans Jäger und seinem Kreis — Kristiania-Boheme —vielleicht den Antrieb. Denn solche
Freundschaft hieß Trennung von Familie, Ausscheiden aus gesicherter bürgerlicher Welt.
In Paris sah er Pissarro, kaum van Gogh, mit Sicherheit Degas. Es ist anzunehmen, daß
Gauguins verführerische Flächen ihn nachdrücklich beschäftigt haben. Sein plötzliches
Erscheinen in Berlin (1892) rief Spaltung der Berliner Künstlerschaft und Gründung der
ersten Sezession hervor. Munchs Kunst gewann Freunde in Deutschland, doch nur w enige,
und es folgten Jahre der Krankheit und Not; bis ein Lübecker Arzt, Dr. Linde, ihm über
das Schwerste hinweghalf. Munchs Absichten auf zyklische Zusammenfassung fanden
hier zum erstenmal Wirkungsmöglichkeit. Er schmückte einen Saal mit Fresken aus und
versenkte sich in den engeren Kreis einer in sich geschlossenen Häuslichkeit. Dann be-
gann ein Reisen durch Deutschland, nach Thüringen, nach Hamburg, nach Berlin. Da-
zwischen Ausruhen, Aufatmen am Kristianiafjord. Einmal versagten die Nerven. Ein
Kopenhagener Arzt, Dr. Jakobsen, den er sprühend, pointiert, aus Strömen von Rot
und Violett malte, wurde Munchs Dr. Gachet. Er vertraute sich ihm an und genas.
Die alte norwegische Landschaft, die Landschaft seiner Jugend, wird — um igio —
das beruhigende Zentrum seines Lebens. Von hier aus stößt er nach Europa vor, jagend,
 
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