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Marées-Gesellschaft [Hrsg.]
Ganymed: Blätter der Marées-Gesellschaft — 4.1922

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Paralipomena
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Meier-Graefe, Julius: Zur Berliner Cézanne-Ausstellung 1921
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Hausenstein, Wilhelm: Degas der Plastiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.45237#0480

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WILHELM HAUSENSTEIN / DEGAS DER PLASTIKER 273
belanglose Haus, diese Route tournante, diesen Fleck Erde so zu malen wie mein Vater-
haus, meine Gartenmauer, um die ich als Junge strich, meine Erde, in deren Dunst ich
geboren bin, zu der ich gehöre, die ich selbst bin. Natur, liebe Impressionisten, süße Ex-
pressionisten, ist der Körperteil, mit dem ihr euch bückt, und der Teil, mit dem ihr euch,
wenn es glückt, in die Lüfte hebt. Und Kubusse, Weiber, Äpfel — Sie erinnern sich, daß
die Äpfel faulten, bis es Cezanne gelang, sie seinem Gusto gemäß auf die Leinwand zu
bringen, und daß er sie durch Gebilde aus Wachs und Papier ersetzte — alles das ist nur
dazu da, um das Trotzdem der Geständnisse zu würzen und Reihenfolge zu halten.
Reihenfolge nicht nur in der Kunst. Man mißtraue dem Geschmack, dem Reiz von Form
und Farbe in diesen Bildern. Dies ist nichts neben Cezanne. Man mißtraue dem Kunst-
verständnis, das den Zünftigen in diese Ausstellung führt. Schuster und Schweine-
züchter aller Zonen erlangen binnen unglaublich kurzer Zeit profunde Grade dieser Ka-
pazität, reden wie geschmiert, kaufen wie geschmiert, sogar mit Genie.
Reihenfolge, werte Anwesende! Hier ist nichts zu bereden, nichts zu beloben. Erschüttert
nicht die Luft mit eurem Erlebnis. Nachher, o ich weiß, erlebt ihr wieder anderes, Teufel
auch! — Nein, er ist nicht berauschend, auch nicht duftig, noch so und so. Ein Mensch
war er und glücklich in der Einbildung, Stück einer Menschheit zu sein. Versuchen wir,
auch wenn es schwer fällt, uns seiner Illusion hinzugeben.

DEGAS DER PLASTIKER
VON
WILHELM HAUSENSTEUN

Degas hat in seinem Atelier zweiundsiebzig wächserne Plastiken hinterlassen. Adrien
Hebrard goß sie in Bronze wunderbar; jedes Modell (wenn ich recht berichtet bin)
zwanzigmal; jedes mit edler Treue gegen Form und Farbe und gegen die Unbilden der
Zeit, die viele dieser Figuren zerbrach oder verstümmelte. Paris hat eine vollständige
Reihe der Güsse gesehen. Das Petit Palais hat sie erworben. (Den Mühen des Herrn
Tanner dankte Zürich im Herst 1921 den Vorzug, die Reihe vor ihrer Aufstellung in
dem Pariser Museum noch kennen zu lernen; in der Züricher Filialgalerie von Bernheim-
jeune war sie zu studieren.)
 
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