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OTTO VRIESLANDER
CARL PHILIPP EMANUEL BACH ALS
K LAVI ERKOMPONIST
VON
OTTO VRIESLANDER
Und wer mich gründlich kennt, der muß finden, daß
ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, daß ich
ihn verstanden und fleißig studiert habe.
Haydn (Pohl, I, S. i3a).
Er (E. Bach) ist der Vater; wir sind die Bubn. Wer von
uns was Rechts kann, hats von ihm gelernt.
Mozart (Jahn, II, S. i 33).
Von Emanuel Bachs Klavierwerken habe ich nur einige
Sachen, und doch müssen einige jedem wahren Künstler
gewiß nicht allein zum hohen Genuß, sondern auch
zum Studium dienen.
Beethoven (an Breitkopf & Härtel, 26. Juli 1809).
C. P. E. Rach steht in seiner ungemein beweglichen, leidenschaftlichen, im
höchsten Grade impressionabeln Sprache für sich, ohne Vorgänger und —
ohne Nachfolger. Seine Resonderheit steht und fällt mit seiner Person,
und was Haydn und Mozart im Anfang ihres Schaffens von ihm über-
nommen oder nachgemacht haben (Haydns ältere Werke verraten stärksten
Einfluß), ist der schwächere Teil ihrer Arbeiten, ist Jugend und Suchen.
Ich verwundere mich inbezug auf G. P. E. Bach immer über folgende Tat-
sache: Mit der Sprache Chopins leben wir. Sie lieben wir, die Kenner,
die Sensibeln über alles. Sie spricht zu uns, als ob es unsere eigenen
Dinge seien, die uns dieser Meister vorspricht. Wir fühlen uns in ihm
„modern“, ohne zu starke Distanz. Chopin ist unserem Sentiment äußerst
nahe! Wir wissen sogar mehr noch von ihm. Wir wissen nämlich, daß er
das Geheimnis der Klavier-Seele entschleiert hat. Ja, er hat zudem das
Klavier selbst entdeckt. Denn, so meint man, die Wiener Meister ein-
OTTO VRIESLANDER
CARL PHILIPP EMANUEL BACH ALS
K LAVI ERKOMPONIST
VON
OTTO VRIESLANDER
Und wer mich gründlich kennt, der muß finden, daß
ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, daß ich
ihn verstanden und fleißig studiert habe.
Haydn (Pohl, I, S. i3a).
Er (E. Bach) ist der Vater; wir sind die Bubn. Wer von
uns was Rechts kann, hats von ihm gelernt.
Mozart (Jahn, II, S. i 33).
Von Emanuel Bachs Klavierwerken habe ich nur einige
Sachen, und doch müssen einige jedem wahren Künstler
gewiß nicht allein zum hohen Genuß, sondern auch
zum Studium dienen.
Beethoven (an Breitkopf & Härtel, 26. Juli 1809).
C. P. E. Rach steht in seiner ungemein beweglichen, leidenschaftlichen, im
höchsten Grade impressionabeln Sprache für sich, ohne Vorgänger und —
ohne Nachfolger. Seine Resonderheit steht und fällt mit seiner Person,
und was Haydn und Mozart im Anfang ihres Schaffens von ihm über-
nommen oder nachgemacht haben (Haydns ältere Werke verraten stärksten
Einfluß), ist der schwächere Teil ihrer Arbeiten, ist Jugend und Suchen.
Ich verwundere mich inbezug auf G. P. E. Bach immer über folgende Tat-
sache: Mit der Sprache Chopins leben wir. Sie lieben wir, die Kenner,
die Sensibeln über alles. Sie spricht zu uns, als ob es unsere eigenen
Dinge seien, die uns dieser Meister vorspricht. Wir fühlen uns in ihm
„modern“, ohne zu starke Distanz. Chopin ist unserem Sentiment äußerst
nahe! Wir wissen sogar mehr noch von ihm. Wir wissen nämlich, daß er
das Geheimnis der Klavier-Seele entschleiert hat. Ja, er hat zudem das
Klavier selbst entdeckt. Denn, so meint man, die Wiener Meister ein-