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Marées-Gesellschaft [Hrsg.]
Ganymed: Blätter der Marées-Gesellschaft — 4.1922

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Aufsätze
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Hausenstein, Wilhelm: Renoir
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Meier-Graefe, Julius: Karl Hofer
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https://doi.org/10.11588/diglit.45237#0205

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JULIUS MEIER-GRAEFE

und Ingres seine Schutzheiligen, und Seurat war sein Genosse. Malte er
Pariserinnen im orientalischen Kostüm, so war das tiefleuchtende far-
niente der algerischen Frauen des Delacroix sein Kirchenfenster. Er be-
friedigte Instinkte, die sonst eine Stufe oder zwei tiefer bei Stevens oder
Whistler sich zu befriedigen liebten. Er war bürgerlich gesund wie
Chardin und subtil wie das Ende einer Weltepoche — das er wahrschein-
lich in der Tat gewesen ist.
Ursprünglich war er, geschwellt von Antrieb und zugleich Bewunderer
der Autorität; voll und graziös, leicht und gewichtig; dem Flug der
Seifenblase und dem Fleisch des Pfirsichs gleich ähnlich; vertrauend,
gutgläubig, naiv und raffiniert; Neuerer und Erbe; ein Genießender und
ein Wohltäter; ein kindlich Einfältiger im Sinn der Bergpredigt, ein
Sanfter und ohne Widerspruch mit der Wollust der Welt vertraut.
Poesie und Wirklichkeit waren ihm kein Gegensatz, kein Gegensatz Mensch
und Himmel, Erde und Sonne, Gras und Azur — kein Gegensatz Natur
und Kunst.

KARL HOFER

VON

JULIUS MEIER-GBAEFE


ir sind ein Land der Mitte. Alle möglichen Rassen umgeben uns,

fressen an unsern Rändern, laufen bei uns durch von Ost, von

West, von Süd und Nord. Unser Schicksal will, entweder dies mit Wol-
lust und Willen oder garnichts zu sein. Wir können den Zugführer
Europas spielen, haben ihn gespielt, müssen ihn spielen, um überhaupt
eine Rolle zu haben. Das soll nichts besonders Großartiges heißen, denn
die Richtung wird keineswegs von uns allein bestimmt. Wir stellen nur
 
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