ZÜRICHER AUSSTELLUNG ALTDEUTSCHER KUNST 269
von sekundären Begriffen wie Stärke und Schwäche. (So wäre die Moral aus der reinen
Anschauung des Sichtbaren. Die Legende hat den Vorgang mit einer wunderbaren Ruhe
motiviert und die Moral a priori dichterisch befestigt. Das Bild weist die Legende des hei-
ligen Eligius, des Goldschmieds, des Bischofs von Noyon, der 658 gestorben ist; er, der
Patron der Schmiede, beschlägt das abgehauene Bein mit neuem Huf und wird es wieder
anheilen — und es versteht sich, daß alles, was durch den Heiligen geschieht, sonder
Schmerz geschieht.)
Viele Meister wurden deutlich. Zeitblom war kahl wie beinahe immer; nur daß ihm
ein Auftritt zweier weißer Engel vor der Hostie auf außerordentliche Art gelungen ist.
Herlin war fein; nicht ohne daß er die Überlieferung der großen Niederländer (zumal des
Rogier) aus dem Weltweiten der frühen Niederlande in den lokaleren Geist des Schwä-
bischen einschränkte; meisterlich war er, doch vom Trockenen nicht frei. In schöner Breite
kündete sich Bernhard Strigel. Ein Bild bloß bezeichnete ihn dort: eine Muttergottes
mit Engeln. Ein gelber Engel, mit weitem Zug bewegt und gemalt, betet zu ihr. Kleine
Engel entfalten hinter ihr ein mächtiges rotes Tuch. In göttlicher Verlegenheit sitzt sie
selbst; aber das Psychologische in diesem Antlitz ist von verhaltener Größe der Malerei
wie mit einer bedeutenden Maske überkleidet. Holbein der Vater wurde durch einen
Christ von empfindsamer, schon verzärtelter Schönheit vorgestellt; den Sohn deuteten
einige köstliche kleine Bildnisse an.
Mit den Namen, die man weiß, erschöpfte die Ausstellung sich nicht. Man muß auf einen
Chor von Anonymen weisen, deren mancher ein Meister in vorderen Reihen gewesen
sein mag. Ich gedenke des Baseler Ursulabilds, zumal der roten Jungfrau, die mit der
Stirn der Märtyrerin dem Schiff entstürzt; jener kleinen einsamen Gottesmutter vom
Oberrhein, deren zarte Größe einen Winkel der Ausstellung bewohnte; des vielmelden-
den Bildleins vom reichen Mann und armen Lazarus; garbenbindender Mönche auf einem
votivbildartigen Täfelchen oberdeutscher Herkunft, auch des Wagens und Pferds darauf;
des mit Blutperlen bestirnten Jesushauptes auf einem Gethsemane aus einer elsässischen
Schule; auch des Bruchstücks einer Anbetung, das als eins der großen Dinge der Aus-
stellung den Weg zu Witz flankierte. In Bildern der Namenlosen band sich das Gefühl
gar fast am liebsten.
von sekundären Begriffen wie Stärke und Schwäche. (So wäre die Moral aus der reinen
Anschauung des Sichtbaren. Die Legende hat den Vorgang mit einer wunderbaren Ruhe
motiviert und die Moral a priori dichterisch befestigt. Das Bild weist die Legende des hei-
ligen Eligius, des Goldschmieds, des Bischofs von Noyon, der 658 gestorben ist; er, der
Patron der Schmiede, beschlägt das abgehauene Bein mit neuem Huf und wird es wieder
anheilen — und es versteht sich, daß alles, was durch den Heiligen geschieht, sonder
Schmerz geschieht.)
Viele Meister wurden deutlich. Zeitblom war kahl wie beinahe immer; nur daß ihm
ein Auftritt zweier weißer Engel vor der Hostie auf außerordentliche Art gelungen ist.
Herlin war fein; nicht ohne daß er die Überlieferung der großen Niederländer (zumal des
Rogier) aus dem Weltweiten der frühen Niederlande in den lokaleren Geist des Schwä-
bischen einschränkte; meisterlich war er, doch vom Trockenen nicht frei. In schöner Breite
kündete sich Bernhard Strigel. Ein Bild bloß bezeichnete ihn dort: eine Muttergottes
mit Engeln. Ein gelber Engel, mit weitem Zug bewegt und gemalt, betet zu ihr. Kleine
Engel entfalten hinter ihr ein mächtiges rotes Tuch. In göttlicher Verlegenheit sitzt sie
selbst; aber das Psychologische in diesem Antlitz ist von verhaltener Größe der Malerei
wie mit einer bedeutenden Maske überkleidet. Holbein der Vater wurde durch einen
Christ von empfindsamer, schon verzärtelter Schönheit vorgestellt; den Sohn deuteten
einige köstliche kleine Bildnisse an.
Mit den Namen, die man weiß, erschöpfte die Ausstellung sich nicht. Man muß auf einen
Chor von Anonymen weisen, deren mancher ein Meister in vorderen Reihen gewesen
sein mag. Ich gedenke des Baseler Ursulabilds, zumal der roten Jungfrau, die mit der
Stirn der Märtyrerin dem Schiff entstürzt; jener kleinen einsamen Gottesmutter vom
Oberrhein, deren zarte Größe einen Winkel der Ausstellung bewohnte; des vielmelden-
den Bildleins vom reichen Mann und armen Lazarus; garbenbindender Mönche auf einem
votivbildartigen Täfelchen oberdeutscher Herkunft, auch des Wagens und Pferds darauf;
des mit Blutperlen bestirnten Jesushauptes auf einem Gethsemane aus einer elsässischen
Schule; auch des Bruchstücks einer Anbetung, das als eins der großen Dinge der Aus-
stellung den Weg zu Witz flankierte. In Bildern der Namenlosen band sich das Gefühl
gar fast am liebsten.