ZUR BERLINER CÜZ ANNE-AUSSTELLUNG 271
für überhaupt nicht vorhanden, weil seiiie Zustimmung zu dem Schlagwort als nicht bin-
dend genug befunden wurde. Nachher benutzte man ihn als Reaktionsmittel gegen die
erst vergötterte Richtung. Mancher kühne Kunstcauseur aus der Provinz wundert sich
noch heute, wenn er erfährt, daß der Mann aus Aix nicht der Generation Pechsteins, son-
dern der Manets und Degas’ angehört.
Von dem Schlagwort Impressionismus bleibt die Tatsache übrig, daß Claude Monet ein
Prinzipienreiter und schwacher Visionär war, daß Manet eine gute Jugend und ein schlech-
tes Alter hatte und sein unruhiges Parisertum ihn hin- und herwarf, daß jede Sache ihre
guten und schlechten Seiten besitzt, vermeintliche und wirkliche Mitläufer findet, und
daß man in Deutschland mit Vorliebe schriftlich erlebt. Was bleibt von dem Schlagwort
Expressionismus? Vermutlich wäre es nie zu dem Gegensatz gekommen, hätte man besser
auf Reihenfolge geachtet. Ich habe einmal eine ganze Nacht in einem Wiener Kaffeehaus
die Darlegung Hodlers über mich ergehen lassen, daß die Bedeutung ägyptischer Reliefs
auf dem Parallelismus beruhe und man folglich ebenso bedeutende Werke schaffen müsse,
sobald man den Parallelismus, der schmachvollerweise der Menschheit entschwunden sei,
wieder in seine Rechte einsetze. Seit den erlauchten Dynastien gab es keinen Parallelis-
mus. Nein, bitte schön, alles seitdem Versuchte waren kümmerliche Ersatzmittel, kamen
nicht in Betracht; allenfalls Zufälle ohne Bewußtheit. Ferdinand Hodler aber war bewußt
und vollbrachte mit dem bewußten, wahrhaften und wirklichen Parallelismus eine Re-
naissance. Es blieb mir schließlich nur übrig, ihm das Plagiat der Ägypter nachzu weisen,
die das Geheimnis dem Wald gestohlen hatten, ganz abgesehen von gewissen raffinierten
Parallelismen in den Lagerungen des Gesteins aus der Tertiärzeit.
So war die Verehrung Cezannes zum guten Teil Applikation eines anderen Parallelis-
mus und Leichenschändung. Man redete und schrieb mit Bevorzugung seltener Fremd-
worte so lange um ihn herum, bis er für lesende Kunstbetrachter wirklich zu einer Theorie
geworden war. Und dann machte man Gezanne wie Honigkuchen. Man nehme sechs Eier
und so weiter. Als sich herausstellte, daß er selbst eingestandenermaßen einer Doktrin ge-
frönt hatte, war die Gezanne-Akademie fertig. Signac hat Delacroix zum Stammhalter des
Neo-Impressionismus gemacht, und der liebe Gott ist auch nur ein vertracktes Prinzip. Ja,
er hatte seine Doktrin. So gut wie Beethoven und der Lyriker Goethe. Und die Reihenfolge,
die hatte er auch. Natur war gut, Natur war vorzüglich, und es taugte nicht, abends zu-
viel Schmalz zu essen, wenn man morgens landschaftern wollte. Kubus war gut, Kubus
war vorzüglich. Auch der Zylinder. Kinderchen, so ein Zylinder konnte verteufelte Purzel-
bäume schlagen. Vor allem aber degradieren! Töne machen! Feine und feinste Töne! Nur
die ausschließlich mit Tönen gewonnene Modellierung zählte. Bei aller Tönung jedoch
Farbe behalten. Erlauben Sie, die Palette! Man mußte doch etwas anhaben, Koloristik,
que diable! Man war doch kein Ton-Fex, kein Virtuos. Man war doch ungeschickt, ein
Primitiver. Übrigens bei aller Selbständigkeit der Gesinnung. Die Kirche hatte ihr Gutes,
für überhaupt nicht vorhanden, weil seiiie Zustimmung zu dem Schlagwort als nicht bin-
dend genug befunden wurde. Nachher benutzte man ihn als Reaktionsmittel gegen die
erst vergötterte Richtung. Mancher kühne Kunstcauseur aus der Provinz wundert sich
noch heute, wenn er erfährt, daß der Mann aus Aix nicht der Generation Pechsteins, son-
dern der Manets und Degas’ angehört.
Von dem Schlagwort Impressionismus bleibt die Tatsache übrig, daß Claude Monet ein
Prinzipienreiter und schwacher Visionär war, daß Manet eine gute Jugend und ein schlech-
tes Alter hatte und sein unruhiges Parisertum ihn hin- und herwarf, daß jede Sache ihre
guten und schlechten Seiten besitzt, vermeintliche und wirkliche Mitläufer findet, und
daß man in Deutschland mit Vorliebe schriftlich erlebt. Was bleibt von dem Schlagwort
Expressionismus? Vermutlich wäre es nie zu dem Gegensatz gekommen, hätte man besser
auf Reihenfolge geachtet. Ich habe einmal eine ganze Nacht in einem Wiener Kaffeehaus
die Darlegung Hodlers über mich ergehen lassen, daß die Bedeutung ägyptischer Reliefs
auf dem Parallelismus beruhe und man folglich ebenso bedeutende Werke schaffen müsse,
sobald man den Parallelismus, der schmachvollerweise der Menschheit entschwunden sei,
wieder in seine Rechte einsetze. Seit den erlauchten Dynastien gab es keinen Parallelis-
mus. Nein, bitte schön, alles seitdem Versuchte waren kümmerliche Ersatzmittel, kamen
nicht in Betracht; allenfalls Zufälle ohne Bewußtheit. Ferdinand Hodler aber war bewußt
und vollbrachte mit dem bewußten, wahrhaften und wirklichen Parallelismus eine Re-
naissance. Es blieb mir schließlich nur übrig, ihm das Plagiat der Ägypter nachzu weisen,
die das Geheimnis dem Wald gestohlen hatten, ganz abgesehen von gewissen raffinierten
Parallelismen in den Lagerungen des Gesteins aus der Tertiärzeit.
So war die Verehrung Cezannes zum guten Teil Applikation eines anderen Parallelis-
mus und Leichenschändung. Man redete und schrieb mit Bevorzugung seltener Fremd-
worte so lange um ihn herum, bis er für lesende Kunstbetrachter wirklich zu einer Theorie
geworden war. Und dann machte man Gezanne wie Honigkuchen. Man nehme sechs Eier
und so weiter. Als sich herausstellte, daß er selbst eingestandenermaßen einer Doktrin ge-
frönt hatte, war die Gezanne-Akademie fertig. Signac hat Delacroix zum Stammhalter des
Neo-Impressionismus gemacht, und der liebe Gott ist auch nur ein vertracktes Prinzip. Ja,
er hatte seine Doktrin. So gut wie Beethoven und der Lyriker Goethe. Und die Reihenfolge,
die hatte er auch. Natur war gut, Natur war vorzüglich, und es taugte nicht, abends zu-
viel Schmalz zu essen, wenn man morgens landschaftern wollte. Kubus war gut, Kubus
war vorzüglich. Auch der Zylinder. Kinderchen, so ein Zylinder konnte verteufelte Purzel-
bäume schlagen. Vor allem aber degradieren! Töne machen! Feine und feinste Töne! Nur
die ausschließlich mit Tönen gewonnene Modellierung zählte. Bei aller Tönung jedoch
Farbe behalten. Erlauben Sie, die Palette! Man mußte doch etwas anhaben, Koloristik,
que diable! Man war doch kein Ton-Fex, kein Virtuos. Man war doch ungeschickt, ein
Primitiver. Übrigens bei aller Selbständigkeit der Gesinnung. Die Kirche hatte ihr Gutes,