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Dentſchlands Kunſtſchätze. 55
will mir dies Opfer auferlegen; damit iſt aber nicht geſagt, daß ich nicht Eures Beiſtandes bedürfte,
um das Widerſtreben meines Herzens zu beſiegen und daſſelbe wirklich zu bringen.“
„Und der junge Murillo?“ fragte Jacinto mit nachdenklicher Miene.
„Er hat geſchworen, daß er ſich nicht von mir treunen werde, daß er 8* müſſe, wenn er
mich verlaſſen ſolle.“
Jacinto ſeufzte unwillkürlich.
„Ich habe ihn durch all meine Gründe und weder durch Strenge, noch durch Liebkoſungen
bewegen können, in ſeine Entfernung von mir einzuwilligen. Das Verſprechen, welches er mir einſt
gab, ſeine Abreiſe anzutreten, hat er widerrufen, indeß er behauptet, damals gegen ſeine Ueberzeu-
gung geſprochen und gelogen zu haben.“
„Der junge Mann hat vollkommen Recht, meine Schweſter!“ ſagte Jacinto mit Lebhaftig-
keit, indeß er mit dem Seſſel zu rücken begann. „Das heißt, ich beziehe mich nicht darauf,
daß er geſteht, gelogen zu haben“, fügte der vornehme Mönch hinzu. „Aber er wäre ein Thor, es
wäre die höchſte Unvorſichtigkeit, dies ſage ich mit aller Ehrerbietung gegen Eure Tugendhaftigkeit,
Baſe — wollte ſich der junge Mann ohne eigentliche Noth von Derjenigen trennen, die den ganzen
Inhalt des Lebens ſeines Herzens ausmacht. Ich verſtehe freilich mich nicht beſonders auf die
Malerei, aber das ſollte ich doch glauben: daß man ſehr gut malen könnte, 1 wenn die Geliebte
keine zwei Schritte weit entfernt wäre.“
Beatrix beeilte ſich, ihm begreiflich zu machen, wie ſehr Murillo durch ihre Nähe behindert
werden würde, alle ſeine Gedanken und Kräfte mit gemüthstiefem Ernſt in Bezug auf ſeine Kunſt
zu concentriren.
„Freilich“, ſagte der Pater, „ich ſehe, daß Ihr nach Eurer Art vollkommen ſo ſehr mit Eurer
Meinung im Rechte ſeid, wie ich in der meinigen, und es wäre ſchwer, hier ein —
zu finden.“
„Theuerſter Graf, deshalb bat ich Euch, um mir einen Rath zu ertheilen.“
„Nennt mich nie Graf“, ſagte Carabella düſter. „Ich weiß es, daß Ihr es nicht in der Abficht
thut, mich zu betrüben; aber vermeidet es. Dies iſt ein Rath der Art, welcher möglicherweiſe Euch
oder den jungen Mann das ganze Glück des Lebens und damit dieſes ſelbſt koſten kann.“
„Ihr meint, daß es mir möglich wäre, Murillo ſo weit zu vergeſſen, um ihm untreu * wer-
den?“ fragte Beatrix mit einem ungläubigen Lächeln.
„Gewiß glaube ich das, mit aller Achtung ſei es geſagt, ſchöne Tia“, ſagte Jacinto. *
habt Eure Liebe zu Murillo nicht kommen geheißen und Ihr werdet's auch nicht in der Gewalt
haben, ſie zurückzuhalten, wenn ſie wieder gehen will. Der Menſch hat nichts weiter in ſeiner
Gewalt, als die materielle, die niedrige Untreue zu vermeiden. Der Kampf gegen die Gedanken-
untreue endigt allemal mit dem Siege der ſtärkſten Liebe. Der Abweſende pflegt faſt regelmäßig
in dieſer Hinſicht im Nachtheil zu ſein ... Wenn ich Murillo wäre, ich würde mich ebenſo wenig
wie er bereden laſſen, mich von meinem koſtbarſten Schatze zu entfernen. Führt Ihr ſelbſt ihn auf
der Bahn der Kunſt weiter; werdet die Muſe, die ihn begeiſtert, die allmächtige Richterin und
Bildnerin ſeines Geſchmacks, das wird ihn weiter fördern, als wenn Ihr durch Eure Trennung
von ihm unſägliches Weh über ihn verhängt.
„Euch darf ich Alles geſtehen“, ſagte Beatrix erröthend. „Ich liebe Murillo ſo unausſprechlich,
Dentſchlands Kunſtſchätze. 55
will mir dies Opfer auferlegen; damit iſt aber nicht geſagt, daß ich nicht Eures Beiſtandes bedürfte,
um das Widerſtreben meines Herzens zu beſiegen und daſſelbe wirklich zu bringen.“
„Und der junge Murillo?“ fragte Jacinto mit nachdenklicher Miene.
„Er hat geſchworen, daß er ſich nicht von mir treunen werde, daß er 8* müſſe, wenn er
mich verlaſſen ſolle.“
Jacinto ſeufzte unwillkürlich.
„Ich habe ihn durch all meine Gründe und weder durch Strenge, noch durch Liebkoſungen
bewegen können, in ſeine Entfernung von mir einzuwilligen. Das Verſprechen, welches er mir einſt
gab, ſeine Abreiſe anzutreten, hat er widerrufen, indeß er behauptet, damals gegen ſeine Ueberzeu-
gung geſprochen und gelogen zu haben.“
„Der junge Mann hat vollkommen Recht, meine Schweſter!“ ſagte Jacinto mit Lebhaftig-
keit, indeß er mit dem Seſſel zu rücken begann. „Das heißt, ich beziehe mich nicht darauf,
daß er geſteht, gelogen zu haben“, fügte der vornehme Mönch hinzu. „Aber er wäre ein Thor, es
wäre die höchſte Unvorſichtigkeit, dies ſage ich mit aller Ehrerbietung gegen Eure Tugendhaftigkeit,
Baſe — wollte ſich der junge Mann ohne eigentliche Noth von Derjenigen trennen, die den ganzen
Inhalt des Lebens ſeines Herzens ausmacht. Ich verſtehe freilich mich nicht beſonders auf die
Malerei, aber das ſollte ich doch glauben: daß man ſehr gut malen könnte, 1 wenn die Geliebte
keine zwei Schritte weit entfernt wäre.“
Beatrix beeilte ſich, ihm begreiflich zu machen, wie ſehr Murillo durch ihre Nähe behindert
werden würde, alle ſeine Gedanken und Kräfte mit gemüthstiefem Ernſt in Bezug auf ſeine Kunſt
zu concentriren.
„Freilich“, ſagte der Pater, „ich ſehe, daß Ihr nach Eurer Art vollkommen ſo ſehr mit Eurer
Meinung im Rechte ſeid, wie ich in der meinigen, und es wäre ſchwer, hier ein —
zu finden.“
„Theuerſter Graf, deshalb bat ich Euch, um mir einen Rath zu ertheilen.“
„Nennt mich nie Graf“, ſagte Carabella düſter. „Ich weiß es, daß Ihr es nicht in der Abficht
thut, mich zu betrüben; aber vermeidet es. Dies iſt ein Rath der Art, welcher möglicherweiſe Euch
oder den jungen Mann das ganze Glück des Lebens und damit dieſes ſelbſt koſten kann.“
„Ihr meint, daß es mir möglich wäre, Murillo ſo weit zu vergeſſen, um ihm untreu * wer-
den?“ fragte Beatrix mit einem ungläubigen Lächeln.
„Gewiß glaube ich das, mit aller Achtung ſei es geſagt, ſchöne Tia“, ſagte Jacinto. *
habt Eure Liebe zu Murillo nicht kommen geheißen und Ihr werdet's auch nicht in der Gewalt
haben, ſie zurückzuhalten, wenn ſie wieder gehen will. Der Menſch hat nichts weiter in ſeiner
Gewalt, als die materielle, die niedrige Untreue zu vermeiden. Der Kampf gegen die Gedanken-
untreue endigt allemal mit dem Siege der ſtärkſten Liebe. Der Abweſende pflegt faſt regelmäßig
in dieſer Hinſicht im Nachtheil zu ſein ... Wenn ich Murillo wäre, ich würde mich ebenſo wenig
wie er bereden laſſen, mich von meinem koſtbarſten Schatze zu entfernen. Führt Ihr ſelbſt ihn auf
der Bahn der Kunſt weiter; werdet die Muſe, die ihn begeiſtert, die allmächtige Richterin und
Bildnerin ſeines Geſchmacks, das wird ihn weiter fördern, als wenn Ihr durch Eure Trennung
von ihm unſägliches Weh über ihn verhängt.
„Euch darf ich Alles geſtehen“, ſagte Beatrix erröthend. „Ich liebe Murillo ſo unausſprechlich,