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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0113
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illt_ut[d)luubfi. Kunſtſchätze. 67

„O Gott, welche Läſterung! Schweig, Elender!“ rief die Königin bleich geworden.

„He, Tante? Was fällt Dir ein? Iſt das nicht Eure variſer Mode zu beten? Nimm mein
Ehrenzeichen, damit Du nicht auf den Einfall kommſt, Dir bei meinem Vetter ſelbſt ein neues zu
verdienen.“

„Komm mit mir!“ befahl Anna und trat in eine im Erdgeſchoß liegende Reihe von Gemächern
ein, indeß die Damen mit betretenen Mienen folgten. „Hat der König etwas geſagt?“

„O ja; er iſt nicht ſtumm geworden. Aber er ſcheint ſich mehr auf das Hören verlegt zu
haben. Der Herzog von Norfolk macht ihm Muſik vor.“

Der Herzog von Norfolk, das Haupt der gegen die proteſtantiſche Königin beſonders erbitter-
ten römiſchen Partei, hatte in jener Zeit ſeine Verdächtigungen der Königin, ihres franzöſiſch freien
Tones und unvorſichtigen Benehmens wegen begonnen, die mit dem Gange Anna’s auf's Blutgerüſt
enden ſollten.

„Haſt Du nicht gehört, guter Pinch“, fragte Anna weiter, „was Dein Vetter dem Herzoge
erwiederte?“

„O, jawohl“, antwortete der Narr. „Er hofft, daß Ihr Engliſch lernen werdet, Tante! Und
um kein Jota anders, wie er ſelbſt e& — ſchreibt“
Anna dachte einen Augenblick nach und ſagte, Pinch die Schultern klopfend:

„Komm her, Pinch! Du haſt mich erſchreckt: aber deshalb ſollſt Du nicht etwa weinen, Du
guter, braver Narr! Wir werden kein ſolches Ehrenzeichen, wie Du erhalten — es iſt gewiß: Du
ſollſt Deine entſetzlichen Modegebete nicht umſonſt geſungen haben. Höre mich an!“

Pinch ſtand kerzengerade da und wiſchte ſich dicke Thränen aus den ſchwärzlichgrün ſchillern-
den Augen. Er wiſchte immerfort, kam aber damit ſo wenig, wie mit dem Abreißen des Ehren-
zeichens von ſeiner Kappe zu Stande.

„Gieb mir Dein Schnupftuch, Tante!“ ſagte er zu der Loͤnigin.

„Hier! Behalte es!“

„O, nein! Ich will mir nur meinen Zucker hineinbinden.“

Und er band einige Zuckerſtücke in das — — — daſſelbe unbarmherzig
zerknitternd.

„Die kleine Prinzeſſin Eliſabeth hat morgen ihren dritten Geburtstag'“, ſagte er, „und da
muß der Narr da ſein, damit die Dummheit und der Spaß und das Lachen nicht ſtirbt. Meinet-
wegen mögen die Tanten und Vettern und Schweſtern und Baſen zu Neujahr oder zu St. Valen-
tin, auf den Namenstag oder auf den Nimmermehrstag beſcheeren und befchenfen ... Der Narr
ſchenkt auf gut Sächfiſch am Geburtstage. Morgen iſt der 17. September und da ißt meine kleine
zukünftige Königin Beß Zucker und einen Ingwerkuchen wird der Narr außerdem beſitzen.“

„Wahrlich“, ſagte die Königin, „Beß hat morgen ihren Geburtstag. Everley ſagt mir, iſt es
denn Sitte hier, den Leuten an dem Tage, an welchem ſie einſt geboren wurden, Geſchenke zu geben?“

„Ihro Majeſtät, ſonſt ... Ich denke, als ich ein Kind war, hat man mir zum Geburtstage
einmal Ohrringe geſchenkt ... Aber von ähnlichen Geſchenken hörte ich nie wieder . .. Es iſt
aus der Mode gekommen.“

„Sehr wahr, Schweſter; bei vernünftigen Leuten, bei Narren aber nicht.“

„Laß Dir für Deine Aufmerkſamkeit von meinem Secretair Smeaton fünf Sovereigns be-

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