Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0217
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
* /

Dentſchlands Knnſtſchätze. 135

auf einem Ball in einer Sarabanda, auf den Fußſpitzen die Freitreppe herabkam den Hut unterm
Arme tragend. ; ;

Der fremde Cavalier zog ſein Hütchen mit dem Rehſpiegel daran — ſchönes braunes Haar
ward ſichtbar. Der Kopf mit den vollen Formen, der gebogenen Naſe, dem Doppelkinn und den
hellbraun glänzenden Augen war ſehr edel; der Ausdruck zugleich höchſt gutmüthig und vornehm.

Es war der Braunſchweig-Wolfenbüttler, Rudolph Auguſt, welcher den Bentheimer Grafen
mit der Linken an ſeine Bruſt zog und mit der Rechten den Hut grüßend gegen die Bentheimer
ſchwenkte.

„Wo iſt der Erbherr, mein wertheſter Graf?“ fragte der Herzog, am Arme des Grafen die
Treppe hinanſteigend, während eine Caroſſe ſeines großen Gefolges nach der andern im Schloß-
hofe eintraf.

„Durchlaucht wollen gnädigſt excuſiren — Schloß Bentheim hat einen Gaſt, dem wenigſtens
eine Perſon meiner Familie zu Gebote bleiben mußte. Meine durch den Tod zerſchmetterte
Familie beſteht nur noch, wie der durchlauchtige Herr vielleicht weiß, aus mir und meinem Sohne,
und da bin ich hier, mein Sohn dort oben . ..“

Der Herzog ſtand auf dem Flur ſtill und ſah ſehr aufmerkſam den Grafen an.

„Iſt Jemand hier vom Hofe zu Hannover oder Celle?“ fragte er.

„Nicht ſo eigentlich, fürſtliche Gnaden; es iſt der Graf Verjus, früher Miniſter-Reſident bei
den Braunſchweig-Lüneburgiſchen Höfen jüngerer Linie, welcher vor einer Stunde etwa hier ange-
kommen iſt.“

„Der Franzoſe? Das thut mir leid, beſter Graf! Wo werden wir Beiden bleiben, mit
unſeren freundſchaftlichen Reminiscenzen, mit unſeren alten italieniſchen Erinnerungen, enfin, mit
der Politica, die wir tractiren wollten?“

„Der Herzog Rudolph Auguſt wird mich ſtets zu ſeinem Dienſte aufrichtig bereit finden und
überdies reiſt Graf Verjus noch die Minute ab ...“

„Gott ſei Dank!“ ſagte der Herzog. „Weiß Gott, ich habe den Grafen nie beſonders
qoütirt... Er iſt von ſehr familiären Manieren, überaus höflich-zudringlich und erfaßt ſeine
Beute im rückſichtsloſen Sprunge, wie ein Marder, wenn ſeine Zeit gekommen iſt. Ich will den
Grafen Verjus nicht ſehen, denn ich weiß ſehr genau, was er will!“

Graf Verjus aber kam die Treppe herunter und begrüßte den Herzog in ehrerbietigſter
Weiſe. Der Fürſt machte die Scene kühl ab und wandte ſich an den Bentheimer, welcher ihm
ſeinen Sohn vorſtellte.

„O, fürſtliche Gnaden!“ rief Verjus, ſehr aufgeräumt, „muthen Sie mir nicht zu, daß ich
mich ſo ohne Weiteres gnädigſt bei Seite ſchieben laſſe.“

Bentheim wechſelte die Farbe, als er den unverkennbaren Unmuth des Herzogs gewahrte.
Verjus machte mit unzerſtörbarem Lächeln die Honneurs, als ſei er ſelbſt der Eigenthümer des
Schloſſes.

Rudolph Auguſt war nichts weniger, als von herriſchen Launen oder ſelbſtſüchtigen Empfin-
dungen. Wie wenige Fürſten beſaß er die liebenswürdige Eigenſchaft geſellſchaftlicher Toleranz,
ja Selbſtverleugnung. Verjus hatte eine äußerſt verbindliche Art, keine Umſtände zu machen —
der ſtolze Herzog-Biſchof Ernſt Auguſt von Osnabrück nannte den franzöſiſchen Geſandten einen

— |

— — 7 7
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen