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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0218
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— —
136 Dentſchlands Knnſtſchätze.

„familiären Flegel“ — und außerdem wußte jeder deutſche Fürſt oder Staatsmann, von welcher
letztern Kategorie damals außerordentlich viele „kleine“ Exemplare in Deutſchland zu finden waren,
wie hoch Graf Verjus in der Gunſt ſeines Monarchen ſtehe. Nach und nach fand ſich der Herzog
daher in die unvermeidliche Gegenwart des Franzoſen hinein.

Die beiden Gäſte und die beiden Grafen Bentheim befanden ſich in dem ſchmalen Ritterſaale.
Der Herzog hatte das Schloß noch nicht geſehen; er fand allenthalben reiches Material für die
Entfaltung ſeiner gründlichen philologiſchen und hiſtoriſchen Kenntniſſe. Bentheim war ein guter
Heraldiker, Verjus ein trefflicher Lateiner, es konnte daher kaum fehlen, daß ſich der Herzog bald
in ganz angenehmer Stimmung befand.

Er fing an in ſeiner gutmüthigen Art zu ſcherzen.

„Sagen Sie, Graf Verjus — ich will gewiß nichts ausplaudern — ſind Sie in der That
hier ganz zufällig mit mir zuſammengetroffen?“

Verjus nahm einige enorme Priſen und antwortete endlich:

„Als Diplomat ſollte ich eigentlich eine directe Antwort vermeiden, fürſtliche Gnaden! Aber
perſönlich von Ihnen geehrt, Herr Herzog, antworte ich als Cavalier; ich habe es ganz abſichtlich
darauf angelegt, Euer fürſtliche Gnaden hier zu attrapiren!“

„Nun, lieber Bentheim, das iſt doch zu offen, um auf Glaubwürdigkeit Anſpruch zu machen! *
rief der Herzog, ſein Glas mit geſtrecktem Arm von ſich ſchiebend, um herzlich zu lachen.

„Gnädigſter Herzog“, ſagte Verjus ſehr ernſt, „ich weiß, daß Sie Osnabrück gerade nicht mit
roſafarbener Befriedigung verlaſſen haben .

„Wie? So exact werden Sie —

* weiß, daß eben jetzt die Frage auf dem Spiel ſteht: ob die junge Linie Ihres erhabenen
Hauſes, die Hannoveraner, Cellenſer und der ſtolze Osnabrücker in den welfiſchen Erblanden
herrſchen und die Politik vorſchreiben ſollen, oder ob die älteren Braunſchweig-Wolfenbüttler ihr
altes Recht — wenigſtens ihre politiſche Unabhängigkeit behaupten werden. Euer fürſtliche Gnaden
haben ſich zu den Feinden Frankreichs, zu Ernſt Auguſt und dem Herzoge von Celle geſchlagen —
gewiß wird er Ihnen keinen eigenen Willen mehr übrig laſſen. Johann Friedrich von Hannover
hat ſich nicht irren laſſen: er iſt ſeinem eigenen Intereſſe und der Politik Frankreichs getreu ge-
blieben ... Die guten Erfolge werden für Hannover nicht ausbleiben .. .“

„Was Sie Da ſagen, Verjus, das iſt allerdings ſehr ſtark“, entgegnete Rudolph Auguſt. „Ich
bin ein deutſcher Fürſt, kein franzöſiſcher Vaſall oder Satrap .

„Aber doch des Kaiſers Vaſall, Herr Herzog..“

„Das bin ich allerdings .. .“

„Eh bien, der Habsburger iſt eben ſo wenig ein deutſcher Monarch, wie mein allergnäbigfter
König und Herr!“ rief Verjus. „Die öſterreichiſche Hauspolitik * fürſtlichen — ——
viel gefährlicher als eine freie 2 mit König Ludwig XIV .

Tiefes Schweigen.

„Wiſſen Sie, Graf Bentheim“, fuhr Verjus fort, „gewiſſe Dinge kann man fürſtlichen Perſonen
nicht ſagen — da müſſen Ereigniſſe zu ſprechen beginnen. Aber wir Beiden können wohl ein ver-
trauliches Wort reden Der Herr Herzog wird keinen Gebrauch von unſeren politiſchen Stoß-
ſeufzern machen. Wiſſen Sie, lieber Bentheim, was dem Herzog-Biſchof Eruſt Auguſt als Preis
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