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N°. 15. HEIDELBERGER 1835.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Dr. Bahn} de Religionis natura et ratione.
( Bes chlufs.) i
Wenn die Alten gegen das unvermeidliche Vielerlei der reli-
giösen Gefühle und der daraus entstehenden Menge verschieden-
artiger Andachtübungen (religiones) nur die mores civitatis, das
Mittelalter die Conciliendecrete zum Schutz einiger Stabilität an-
nahmen, also die geistigen Wahrheitseinsichten eigentlich von der
Majorität (= der Stimmenmehrheitsmacht) abhängig machten, so
hätte nie eine wahre Reformation auch nur angefangen werden
hönnen. Wäre man nicht auf die Urquelle der Religion, das ge-
wissenhafte Nachdenken (wie Luther so ort sagt-; auf Jas allge-
mein gewollte Fragen: Warum etwas für gotteswürdig, für
evangelisch - christlich gelten solle?) zurückgegangen , wie hätte
gegen das Vorurtheil, als ob das damals den Meisten inwohnende
Gottesbewufstseyn das wahre sey und von der Auctoritäf der
Meisten mit Recht als ein von Gott ihnen eingegebenes Religions-
gefühl behauptet werde, »ex evidentibus rationibus« (zu Speier
und zu Worms u. s. w.) protestirt werden können?
Kurz gesagt, kann nur dies das W7ahre seyn: Wahre Ver-
bindlichkeiten entstehen für den denkendwollenden, d. i. für den
Menschen, wie er-seyn soll, nur aus dem Einsehen der wahren
Gründe der Obligation. Hierdurch sind religio und religationes
vereinigt. Hierdurch allein, nicht aber durch die mores civi-
tatis vel ecclesiae, auch nicht durch die, welche sich auf das
Gefühl, von Gott gegebenes im heiligen Geist zu decidiren, be-
rufen, werden die religiosi gegen falsche religationes gesichert
oder ihrer entledigt. Man kann es also auch nicht etwa für in-
different ansehen : ob man umgekehrt die religio aus den religa-
tionibus entstehen lasse. Das Nachdenken mufs immer die höchste
Instanz seyn, um zu entscheiden, ob Dogmen und Sittenvor-
schriften an sich, und nicht blos durch Auctoritäten, so gewifs
gotteswürdig seyen, dafs sich der wollende Geist daran zu binden
habe, um mit sich selbst^ als dem Denkenden, übereinzustimmen.
Denn nur diese Einigung des Denkenden und Wollenden im Geiste
selbst ist der Sieg der Wahrheit und die beseligendste Beruhigung.
XXVIII. Jahrg. 3. Heft. 15
 
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