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402

Jurisprudenz.

I. Das französische Recht hat aus dem Standpunkte des
politischen Elements etwas voraus, nämlich die Zusammen-
stimmung der äufseren Einrichtungen, die last alle ein sicheres
historisches Fundament haben. Das Ansehen der alten Parlamente,
ferner der gens du Roi, die Ordnung des Verfahrens, die Ach-
tung vor Formen, welche von jeher in Frankreich in den Ge-
richten bestand, sind fortan erhalten und sogar vervollkommnet.
Der Cassationshof hat eine Redeutung, welche ein unabweisbares
Bedürfnifs der Rechtsanwendung befriedigt, die Einheit des Rechts
zu bewahren und zwar ganz in andrer Art, wie dies bei den
deutschen höchsten Gerichtshöfen möglich ist. Diesem politischen
Elemente der Gerichts - Einrichtung verdankt die neuere franzö-
sische Jurisprudenz das Meiste, ln dieser Beziehung sind vor-
züglich drei neuere Werke interessant, das bekannte von Carre,
Cours elementaire d’organisation judiciaire, de competence, de
procedure civile et criminelle, de notariat, et de legislation pe-
nale, der cours de procedure civile von Rauter, professeur et
bätonier etc* und das noch nicht vollendete Werk über den code
de procedure civile von ßoncenne, Doyen und Professor zu
Poitiers. Anders steht es mit dem vorzüglich durch Savigny
sogenannten technischen Elemente. Hier wird in der neuesten
Zeit Alles auf Argumentation aus precedens und auf receuils d’ar-
rets verwendet; der historische Standpunkt, die Erforschung des
Geistes der Gesetzgebung, gründliche Exegese, System, Streben
nach Consequenz und Analogie, kurz Alles, was sich zeigt, wenn
wahre Wissenschaft unter denjenigen herrscht, welche das Recht
zu lehren und anzuwenden haben, ist nach dem eigenen Zeugnisse
gelehrter Franzosen, in der letzten Zeit sehr vernachlässigt wor-
den. Wenn man das Repertoire von Guyot und seit seiner
3ten Ausgabe von Merlin, welches überall einen festen Boden
seiner Darstellung sucht, und namentlich hinsichtlich der alten
coutumes höchst schätzbar ist, mit den neuesten Arbeiten ver-
gleicht, wie bald erkennt man, dafs der gründliche Geist der
Wissenschaft wenigstens nicht mehr bei der Masse der französi-
schen Juristen zu finden ist? Ueberall das Bestreben, mit dem
Code die neue Welt zu eröffnen, und sich der Quellen desselben
zu entledigen, dafür die Masse der seit 1789 ergangenen Verord-
nungen gehörig aufzustellen, das neue droit administratif darneben
zu verarbeiten, um blos im Ueberblicke der nächsten Gegenwart
befriedigt zu seyn. Eine solche Jurisprudenz tritt heraus aus
dem Kreise der Wissenschaften und wird mehr zum feinen Ge-
werbe: nicht, als achteten wir nicht diese Rücksicht an dem
Praktiker; allein wer sich ihr ganz ergiebt, verliert in dem Sande
des trockenen Ueberblicks die üppige Landschaft des eigentlichen
Wissens. Dafs dies Alles nun aber wirklich so ist, bezeugt die
Darstellung, welche der Advokat Fölix zu Paris selbst in der
neuesten Lieferung des Leipziger Summarn juridici gemacht hat.
Wie eine solche Tendenz der Praxis nachtheilig rückwirkt auf
den Unterricht, und auf die äufseren und inneren Vortheile der
 
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