N*. 2. HEIDELBERGER 1839.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
George Sand par le Comte de Walsh.
( Beschluf s.)
Der Roman ist voll Witz und Geist, die Scenen auf
dem Lande und im Landstädtchen ganz neu, die Cha-
raktere der einzelnen Mädchen trefflich nüancirt, es geht
eine ganz gute Philosophie des Lebens hindurch, Spra-
che, Vortrag, Manier ist hinreissend, aber der reine
Sinn die Wärme des Gefühls die wir heim Weibe be-
wundern und lieben, bleiben fern. Welches Verhältnifs
von Vater zum Sohn; wie unnatürlich und wie gemein!
Wer erkennt nicht selbst in der Hauptfigur der tu-
gendhaften und strengen Genevieve der genialen, mehr he-
roischen als rein weiblichen grofsen Damen Bild? Sie liebt
und liebt auch wieder nicht; sie ist in ihrer Art Tugend
zugleich kalt wie Marmor und heifs wie eine glühende Kohle.
Sie ist rein und sündigt wieder ohne Noth ganz gröblich.
Sie reitet bei Nacht mit einem Mann, den sie wenig kennt
einen Ritt der Leonore aus heroischer Aufopferung für einen
ihr selbst unbedeutenden kranken Jüngling, den sie, wie sich
am Ende ergiebt, heirathet, ohne ihn zu lieben, den sie nicht
einmal lieben kann, weil er kaum zur Nebenfigur des Ro-
mans taugt. Was soll man aber in einer Scene, welche uns
mit Angst und Schrecken füllen soll, bei Nacht und in der
Gefahr vor dem Wasser von der Geschichte mit der entblöfs-
ten Lende sagen! Welcher liebenden oder reinen dich-
tenden Seele fiele, wenn sie nicht blos kalt als Künstlerinn
arbeitete so etwas ein; so richtig es sonst seyn mag! Und
soll nicht die einzige gesunde Natur, (denn der alte Markis
wird am Ende doch gar zu gemein) der Freund Joseph, in
dessen Thun noch einige Wahrheit ist,'dazu dienen, um eine
Ironie sinnlich zu machen? Leitet nicht die Schilderung die
sie von ihm giebt, darauf hin, dafs nur Unnatur schön, das
einfache Gefühl roh sei? Dies liefse sich leicht noch weiter
durchführen, wenn Ref. wagen dürfte, sich auf ein fremdes
Feld zu begeben. In den freres mosaistes ist Kunst und wah-
rer Kunstsinn und Kunsteifer vortrefflich gezeichnet, und wir
XXXII. Jahrg. 1. Heft. 2
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
George Sand par le Comte de Walsh.
( Beschluf s.)
Der Roman ist voll Witz und Geist, die Scenen auf
dem Lande und im Landstädtchen ganz neu, die Cha-
raktere der einzelnen Mädchen trefflich nüancirt, es geht
eine ganz gute Philosophie des Lebens hindurch, Spra-
che, Vortrag, Manier ist hinreissend, aber der reine
Sinn die Wärme des Gefühls die wir heim Weibe be-
wundern und lieben, bleiben fern. Welches Verhältnifs
von Vater zum Sohn; wie unnatürlich und wie gemein!
Wer erkennt nicht selbst in der Hauptfigur der tu-
gendhaften und strengen Genevieve der genialen, mehr he-
roischen als rein weiblichen grofsen Damen Bild? Sie liebt
und liebt auch wieder nicht; sie ist in ihrer Art Tugend
zugleich kalt wie Marmor und heifs wie eine glühende Kohle.
Sie ist rein und sündigt wieder ohne Noth ganz gröblich.
Sie reitet bei Nacht mit einem Mann, den sie wenig kennt
einen Ritt der Leonore aus heroischer Aufopferung für einen
ihr selbst unbedeutenden kranken Jüngling, den sie, wie sich
am Ende ergiebt, heirathet, ohne ihn zu lieben, den sie nicht
einmal lieben kann, weil er kaum zur Nebenfigur des Ro-
mans taugt. Was soll man aber in einer Scene, welche uns
mit Angst und Schrecken füllen soll, bei Nacht und in der
Gefahr vor dem Wasser von der Geschichte mit der entblöfs-
ten Lende sagen! Welcher liebenden oder reinen dich-
tenden Seele fiele, wenn sie nicht blos kalt als Künstlerinn
arbeitete so etwas ein; so richtig es sonst seyn mag! Und
soll nicht die einzige gesunde Natur, (denn der alte Markis
wird am Ende doch gar zu gemein) der Freund Joseph, in
dessen Thun noch einige Wahrheit ist,'dazu dienen, um eine
Ironie sinnlich zu machen? Leitet nicht die Schilderung die
sie von ihm giebt, darauf hin, dafs nur Unnatur schön, das
einfache Gefühl roh sei? Dies liefse sich leicht noch weiter
durchführen, wenn Ref. wagen dürfte, sich auf ein fremdes
Feld zu begeben. In den freres mosaistes ist Kunst und wah-
rer Kunstsinn und Kunsteifer vortrefflich gezeichnet, und wir
XXXII. Jahrg. 1. Heft. 2