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Taeso’e Leben, von Streekfasg.
grossen Dichters seine Person «ns darzustellen pflegen, nicht gün-
stig. Allein wie oft sind Genie und Leben, dichterische Schö-
pfungskraft und Charakterstärke himmelweit von einander geschie-
den ! Tasso, von Kindesbeinen an dem Idealen zugewandt, scheint
sich um Lebensweisheit nie beworben und keine Anlage dafür ge-
habt zu haben, und doch wurde er mit vorzeitigem Rufe in früher
Jugend an den geistreichen Hof zu Ferrara versetzt, wo ihm seine
grosse Reizbarkeit um so gefährlicher werden konnte, je freund-
licher ihm dort Alles entgegenkam. Nur zu bald gerieth er mit
Allen, mit denen er in Berührung kam, in verdriessliche Reibun-
gen. Seine Empfindlichkeit fand immer neue Nahrung und seine
Einbildung von Feindschaften und Verfolgungen, von denen er
umgeben sey, stieg bis zum Wahnsinn. Dazu gesellte sich seine
Leidenschaft für die Prinzessin Leonore, Schwester des Herzogs,
die er nicht zu zügeln verstand. Ob übrigens durch die vielen
Unarten und Fehler, deren sich der Dichter schuldig gemacht, das
Benehmen des Herzogs Alfons entschuldigt werde, bleibt dennoch
in Frage. Ein angesehener, vom Glück begünstigter, ehrgeiziger
Fürst, wie Alfons, war in der Regel nur zu geneigt, gefeierte
Dichter und Schriftsteller, die um ihre Huld sich bewarben, nur
als tüchtige Werkzeuge zur Förderung ihres Ruhmes zu betrach-
ten. Der Dichter befand sich als Diener und Schützling am Hofe
eines solchen Fürsten in einer heikein Stellung. Ist doch das Ge-
fühl der Freiheit, der Unabhängigkeit das wahre, wesentliche Eie-1
ment des Diehters, und dieses ward dort vielseitig gefährdet.
Neigte sich vollends die wohlwollende Zuneigung der Fürstinnen
selbst für den Dichter zu zärtlichem Gefühlen, so ward seine
Lage nur noch bedenklicher, und er bedurfte eines nicht geringen
Grades von Klugheit und Umsicht, um nicht in einen Wirbel hin-
eingezogen zu werden, in welchem auch Starke Gefahr laufen
möchten, Selbständigkeit und Selbstzufriedenheit, wie auch die
Achtung der Welt einzubüssen. Umsicht und Klugheit sind aber
nicht die gewöhnlichen Tugenden grosser Dichter. Tasso taugte
nirgends weniger hin, als an einen Hof. Doch mag bezweifelt
werden, ob er auch in andern Verhältnissen je zu wahrem Le-
bensglück gelangt wäre, indem die Einbildungskraft zu sehr in
ihm vorherrschte, als dass es seinem Geist und Willen vergönnt
gewesen wäre, für das Leben einen sichern, festen Haltpunkt zu
gewinnen.
CDer Beecklusf folgt.')
Taeso’e Leben, von Streekfasg.
grossen Dichters seine Person «ns darzustellen pflegen, nicht gün-
stig. Allein wie oft sind Genie und Leben, dichterische Schö-
pfungskraft und Charakterstärke himmelweit von einander geschie-
den ! Tasso, von Kindesbeinen an dem Idealen zugewandt, scheint
sich um Lebensweisheit nie beworben und keine Anlage dafür ge-
habt zu haben, und doch wurde er mit vorzeitigem Rufe in früher
Jugend an den geistreichen Hof zu Ferrara versetzt, wo ihm seine
grosse Reizbarkeit um so gefährlicher werden konnte, je freund-
licher ihm dort Alles entgegenkam. Nur zu bald gerieth er mit
Allen, mit denen er in Berührung kam, in verdriessliche Reibun-
gen. Seine Empfindlichkeit fand immer neue Nahrung und seine
Einbildung von Feindschaften und Verfolgungen, von denen er
umgeben sey, stieg bis zum Wahnsinn. Dazu gesellte sich seine
Leidenschaft für die Prinzessin Leonore, Schwester des Herzogs,
die er nicht zu zügeln verstand. Ob übrigens durch die vielen
Unarten und Fehler, deren sich der Dichter schuldig gemacht, das
Benehmen des Herzogs Alfons entschuldigt werde, bleibt dennoch
in Frage. Ein angesehener, vom Glück begünstigter, ehrgeiziger
Fürst, wie Alfons, war in der Regel nur zu geneigt, gefeierte
Dichter und Schriftsteller, die um ihre Huld sich bewarben, nur
als tüchtige Werkzeuge zur Förderung ihres Ruhmes zu betrach-
ten. Der Dichter befand sich als Diener und Schützling am Hofe
eines solchen Fürsten in einer heikein Stellung. Ist doch das Ge-
fühl der Freiheit, der Unabhängigkeit das wahre, wesentliche Eie-1
ment des Diehters, und dieses ward dort vielseitig gefährdet.
Neigte sich vollends die wohlwollende Zuneigung der Fürstinnen
selbst für den Dichter zu zärtlichem Gefühlen, so ward seine
Lage nur noch bedenklicher, und er bedurfte eines nicht geringen
Grades von Klugheit und Umsicht, um nicht in einen Wirbel hin-
eingezogen zu werden, in welchem auch Starke Gefahr laufen
möchten, Selbständigkeit und Selbstzufriedenheit, wie auch die
Achtung der Welt einzubüssen. Umsicht und Klugheit sind aber
nicht die gewöhnlichen Tugenden grosser Dichter. Tasso taugte
nirgends weniger hin, als an einen Hof. Doch mag bezweifelt
werden, ob er auch in andern Verhältnissen je zu wahrem Le-
bensglück gelangt wäre, indem die Einbildungskraft zu sehr in
ihm vorherrschte, als dass es seinem Geist und Willen vergönnt
gewesen wäre, für das Leben einen sichern, festen Haltpunkt zu
gewinnen.
CDer Beecklusf folgt.')