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N\ 27. HEIDELBERGER 1842.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Mönnich: Ueber das Geschichtliche in der Sage vom Teil.
(Beschluss.}
Im Jahr 1420 schrieb man aber nicht halboffizieile Geschieh·*
ten mit Entstellungen und Verheimlichungen, um das gute Volk
zu täuschen; im Jahr 1420, wo also Tell’s Ruhm schon in der
Blütbe gewesen seyn müsste^ soll ein angesehener Berner Ge-
schichtschreiber die Tell’ssage nieht erwähnt haben — damit die
Berner Bauern nicht Gelegenheit hätten, sie bei Conrad Justinger
zu lesen! Also so berühmt, so im Munde des Volks verbreitet
war die Begebenheit von Teil, so gewaltig war sie mit der Na-
tionalität selbst verwachsen, dass ein Berner 8tadtschreiber sich
Zutrauen konnte, die Sache nach Belieben «u ignoriren oder nicht,
sie durch seine Erwähnung zur Geschichte zu machen, oder durch
sein Schweigen aus der Geschichte zu entfernen!? Justinger,
der sich überall als tüchtigen Schweizer zeigt, soll über dem
halboffiziellen Stadtschreiber, zu dem Herr M. ihn zu machen be-
liebt, seine Pflicht als Historiker und Patriot so schmählich ver-
gessen haben, dass er den angeblichen Anfangspunkt schweizeri-
scher Freiheit und Grösse unerwähnt liess? — Wunderbar! Aber
noch wunderbarer eine Kritik, welche Dinge, die erst zu beweisen
sind, schon als Argumente gebraucht, und durch eine neue, leicht-
sinnig gemachte Hypothese eine schon sehr schwankende unter-
stützt ! —
Begleiten wir Herrn M. weiter. Es kommt jetzt auf das
Zeugniss der 114 Personen und die Kapelle von 1888, wovon in
des Ref. Schrift S. 76. die Rede ist. Ref. selbst hat daraus die
Existenz Tell’s (die indess auch ohne das schwer abzuleugnen
ist) als sicher gefolgert, aber zugleich auch daraus zu ersehen
geglaubt (S. 102), dass schon 80 Jahre nach Tell’s angeblicher
That die Stimmen so schwankend und unsicher über Teil waren,
! dass man zu einem öffentlichen Aufruf und Zeugniss seine Zu-
flucht nehmen musste. Herr M. aber folgert im Gegentheil, dass
XXXV. Jahrjr, 3. Doppelheft. %7
 
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