Nr. 36. HEIDELBERGER 1847.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
de Gerando: Siebenbürgen und seine
Bewohnen
(Schluss.)
Er sagt aber nichts davon, dass auch die Sachsen von König Geisa II.
aus Anerkennung ihrer Tapferkeit, mit der sie ihm den Thron seiner
Väter erstreiten halfen, den Sachsenboden als ewiges erbeigenes Lehen
erhalten haben. Er sagt nichts, wie oft sie heldenmüthig neben Ungarn
und Szeklern in der Schlacht standen, wie tapfer sie selbst gegen ge-
waltsame Eingriffe eigener Fürsten ihre Rechte vertheidigten, wie die
Kronstädter unter ihrem kräftigen Bürgermeister Weiss gegen den Wiith-
rich Gabriel Bathor. Er macht den Sachsen ihre Anhänglichkeit an
Deutschland zum Vorwurf; er zeiht sie der Kleinlichkeit und Engherzig-
keit, weil sie die Privilegien ihrer Nationalität nicht wegwerfen wollen,
und sucht sie lächerlich zu machen, dass sie die verfassungsmässigen
Mittel zur Erhaltung ihrer Sprache und Rechte in Anwendung bringen
und ihre Abgeordneten zum Reichstage desshalb beloben.
Um diese Verhältnisse gehörig zu würdigen, muss man einen Blick
in die Geschichte von Siebenbürgen zurückwerfen. Als das Fürstenthum
Siebenbürgen durch Solimans Gewaltschritt von Ungarn abgetrennt
und im Jahr 1542 zum unabhängischen Lande, jedoch unter ottomani-
scher Oberhoheit, geworden war, vereinigten sich die drei bevorrechte-
ter Nationen der Ungarn, Szekler und Sachsen auf dem Reichstage zu
- Thorda, um sich gegenseitig ihre Rechte zu garantiren und zu einem
geordneten Gemeinwesen zu konstituiren. Jede Nation sollte in ihrer
innern Verfassung nuabhängig bleiben, und sich wie bisher regiren; in
äusseren Verhältnissen entscheide der Reichstag, auf welchem curiatim
nach Nationen gestimmt werden sollte. In gleicher Weise wurde fest-
gesetzt, dass die Steuern von den bevorrechteten Nationen zu drei glei-
chen Theilen getragen werden sollten. Diess war die Verfassung von
1542. Als aber Siebenbürgen 1688 durch Vertrag an Oesterreich kam, so
wurde das Besteucrrungssystem allmählig geändert und endlich 1750
festgestellt, dass jeder Steuerpflichtige den ihn treffenden Theil der Reichs-
steuer zu tragen habe. War so ein wichtiger Punkt der Verfassung
XL. Jahrg. 4. Doppelheft. 36
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
de Gerando: Siebenbürgen und seine
Bewohnen
(Schluss.)
Er sagt aber nichts davon, dass auch die Sachsen von König Geisa II.
aus Anerkennung ihrer Tapferkeit, mit der sie ihm den Thron seiner
Väter erstreiten halfen, den Sachsenboden als ewiges erbeigenes Lehen
erhalten haben. Er sagt nichts, wie oft sie heldenmüthig neben Ungarn
und Szeklern in der Schlacht standen, wie tapfer sie selbst gegen ge-
waltsame Eingriffe eigener Fürsten ihre Rechte vertheidigten, wie die
Kronstädter unter ihrem kräftigen Bürgermeister Weiss gegen den Wiith-
rich Gabriel Bathor. Er macht den Sachsen ihre Anhänglichkeit an
Deutschland zum Vorwurf; er zeiht sie der Kleinlichkeit und Engherzig-
keit, weil sie die Privilegien ihrer Nationalität nicht wegwerfen wollen,
und sucht sie lächerlich zu machen, dass sie die verfassungsmässigen
Mittel zur Erhaltung ihrer Sprache und Rechte in Anwendung bringen
und ihre Abgeordneten zum Reichstage desshalb beloben.
Um diese Verhältnisse gehörig zu würdigen, muss man einen Blick
in die Geschichte von Siebenbürgen zurückwerfen. Als das Fürstenthum
Siebenbürgen durch Solimans Gewaltschritt von Ungarn abgetrennt
und im Jahr 1542 zum unabhängischen Lande, jedoch unter ottomani-
scher Oberhoheit, geworden war, vereinigten sich die drei bevorrechte-
ter Nationen der Ungarn, Szekler und Sachsen auf dem Reichstage zu
- Thorda, um sich gegenseitig ihre Rechte zu garantiren und zu einem
geordneten Gemeinwesen zu konstituiren. Jede Nation sollte in ihrer
innern Verfassung nuabhängig bleiben, und sich wie bisher regiren; in
äusseren Verhältnissen entscheide der Reichstag, auf welchem curiatim
nach Nationen gestimmt werden sollte. In gleicher Weise wurde fest-
gesetzt, dass die Steuern von den bevorrechteten Nationen zu drei glei-
chen Theilen getragen werden sollten. Diess war die Verfassung von
1542. Als aber Siebenbürgen 1688 durch Vertrag an Oesterreich kam, so
wurde das Besteucrrungssystem allmählig geändert und endlich 1750
festgestellt, dass jeder Steuerpflichtige den ihn treffenden Theil der Reichs-
steuer zu tragen habe. War so ein wichtiger Punkt der Verfassung
XL. Jahrg. 4. Doppelheft. 36