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Nr. 38. HEIDELBERGER 1847.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Roost: Gescliichie der Reformation.

(Fortsetzung.)
Aber eine grosse Sünde hat freilich die Reformation in den Augen
der Stabilitätsmänner begangen — sie hat Licht und Aufklärung unter
das Volk gebracht, das nach B ο o s t ’ s Ansicht im Finstern wandeln
oder sich an dem diistern Lämpchen der Kirche begnügen sollte; sie hat
den Bürgerstand emancipirt und zur Theilnahme an der Lenkung mensch-
licher Dinge berufen, ihn, der nur zum Erzeugen und Dienen geschaf-
fen sein sollte; sie hat dem Glauben den Platz eingeräumt, auf dem
sich der Aberglauben breit gelagert hatte; sie hat der Sitte und Ehr-
barkeit Achtung verschafft, die bei der kirchlichen Schlaffheit, priesterli-
chen Nachsicht und mönchischen Unenthaltsamkeit in hohem Grade ge-
fährdet war; sie hat die Vernunft wieder zu Ehren gebracht, die unter
dem geistlichen Regimente ganz im blinden Glauben gefangen gehalten
war. Die Reformation war eine heilsame Erschütterung, die die Mensch-
heit aus der Versumpfung rettete, der sie unter dem hierarchischen Joche
entgegen ging; sie brach die Dämme und erzeugte einen fliessen-
den Bach, der Wiesen bewässert, Mühlen treibt, und Nutzen und
Leben schafft, mag er auch manchmal anschwellen und Blumen und Kräu-
ter in seinem Bette begraben. — Allerdings war die Reformation die
Frucht vorausgegangener Aufklärung und unser Verfasser handelt ganz
consequent, wenn er die Buchdruckerkunst verflucht und über jede Wis-
senschaft, die nicht im Dienste der Kirche steht, den Stab bricht; —
aber so wenig die humanistische Literatur, selbst mit Einschluss
der Briefe der Dunkelmänner, den kirchenfeindlichen Schriften
Voltaire’s und der Encyclopädisten gleicht, so wenig gleicht
die Reformation der französischen Revolution. Dies sahen auch die Apo-
stel der letztem sehr wohl ein, und ergossen daher ihren Spott und
ihr satirisches Gift nicht minder über die Reformatoren und ihre Anhän-
ger und Schöpfungen, als über die katholische Kirche mit ihrem Dog-
matismus, Priestertrug und Aberglauben.
3} Auch auf den delikaten Punkt vom passiven Gehorsam
der Völker lasse ich mich ohne Bedenken ein, in dem guten Bewusstsein
XL. Jahrg. 4. Doppelheft. 38
 
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