Nr. 39. HEIDELBERGER 1847
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Boosti Geschichte der Reformation.
(Schluss.)
Hat indessen diese Beschuldigung für den minder Unterrichteten noch
einen Schein von Glaubwürdigkeit, so lautet dagegen die Behauptung, dass die
unter dem Namen des Kriegs der Fronde bekannten revolutionären Bewegun-
gen von den Calvinisten ausgegangen seien, wie eine Ironie. Der Krieg der
Fronde war der letzte Kampf des Adels und der Beamtenhierarchie gegen die
von Richelieu und Mazarin begründete absolute Königsgewalt, ein Kampf, bei
dem der geistreiche und ränkevolle Kardinal von Retz, damals Coadjutor des
Erzbischofs von Paris, die bedeutendste Rolle spielte, indem er das Volk, das
eigentlich dem Absolutismus mehr geneigt war, als dem anarchischen Treiben
der Grossen, zu betheiligen wusste. Turenne, zu jener Zeit noch Calvinist,
war der mit dem Vertrauen Mazarin’s und des Hofs beehrte Anführer der kö-
niglichen Truppen, indess der grosse Conde, aus jener ursprünglich calvinischen,
aber schon längst zur katholischen Kirche zurückgekehrten Familie, die Fahne
der Empörung aufpflanzte und in Spanien die Unterstützung fand, die er um-
sonst bei Cromwell und den Calvinisten des Südens gesucht hatte (vgl. histoire
de la Fronde par le comte de St. Aulaire III. p. 35 ff.). Aber auch diese Be-
schuldigung hat einen tiefem Grund. Gelänge es die Huguenotten als Urheber
dieser Unruhen darzustellen, so fände nicht nur der Hauptsatz des Verfassers,
dass die Calvinisten stets zum Revolutioniren geneigt seien, eine neue Bestäti-
gung, sondern die spätem von Ludwig XIV. über die unglücklichen Protestan-
ten verhängten Drangsale bis zur endlichen Aufhebung des Edikts von Nantes
würden dadurch erklärt und entschuldigt sein. Aber es wird keiner Verläum-
dung oder Entstellung gelingen, die Dragonaden, den grössten Gräuel nach
der Bartholomäusnacht, von der katholischen Kirche Frankreichs zu tilgen. Die
Schmach, über eine schutzlose, ruhige, sittliche und fleissige Bevölkerung eine
langjährige Verfolgung verhängt zu haben, eine Verfolgung, die nicht wie in
den frühem blutigen Tagen den Leib tödtete, um die Seele zu retten, nein!
eine Verfolgung der Heimtücke, der Verführung, der Corruption, der Unmo-
ralität, eine Verfolgung, die zuerst die Ehre und die zeitlichen Güter zu Grunde
richtete, alle edlem Regungen abstumpfte und dann die Unglücklichen entwe-
der in die Fremde trieb oder den Seelenleiden eines vorwurfsvollen Gewissens
preis gab; — die Schmach einer solchen Verfolgung verbleibt der katholischen
Kirche allein! Unser papistjscher Verfasser, dem die Zerstörung eines Gnaden-
bildes oder die Entweihung geheiligter Hostien Entsetzen erregt, hat für die
zahllosen Leiden einer misshandelten Bevölkerung, die nicht den Papst als Statt-
halter Christi verehrte und ihr Seelenheil auf einem- andern Weg, als den das
Tridentiner Concil vorschreibt, zu finden hoffte, kein Mitgefühl. Er erwähnt
XL. Jahrg. 4. Doppelheft. 39
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Boosti Geschichte der Reformation.
(Schluss.)
Hat indessen diese Beschuldigung für den minder Unterrichteten noch
einen Schein von Glaubwürdigkeit, so lautet dagegen die Behauptung, dass die
unter dem Namen des Kriegs der Fronde bekannten revolutionären Bewegun-
gen von den Calvinisten ausgegangen seien, wie eine Ironie. Der Krieg der
Fronde war der letzte Kampf des Adels und der Beamtenhierarchie gegen die
von Richelieu und Mazarin begründete absolute Königsgewalt, ein Kampf, bei
dem der geistreiche und ränkevolle Kardinal von Retz, damals Coadjutor des
Erzbischofs von Paris, die bedeutendste Rolle spielte, indem er das Volk, das
eigentlich dem Absolutismus mehr geneigt war, als dem anarchischen Treiben
der Grossen, zu betheiligen wusste. Turenne, zu jener Zeit noch Calvinist,
war der mit dem Vertrauen Mazarin’s und des Hofs beehrte Anführer der kö-
niglichen Truppen, indess der grosse Conde, aus jener ursprünglich calvinischen,
aber schon längst zur katholischen Kirche zurückgekehrten Familie, die Fahne
der Empörung aufpflanzte und in Spanien die Unterstützung fand, die er um-
sonst bei Cromwell und den Calvinisten des Südens gesucht hatte (vgl. histoire
de la Fronde par le comte de St. Aulaire III. p. 35 ff.). Aber auch diese Be-
schuldigung hat einen tiefem Grund. Gelänge es die Huguenotten als Urheber
dieser Unruhen darzustellen, so fände nicht nur der Hauptsatz des Verfassers,
dass die Calvinisten stets zum Revolutioniren geneigt seien, eine neue Bestäti-
gung, sondern die spätem von Ludwig XIV. über die unglücklichen Protestan-
ten verhängten Drangsale bis zur endlichen Aufhebung des Edikts von Nantes
würden dadurch erklärt und entschuldigt sein. Aber es wird keiner Verläum-
dung oder Entstellung gelingen, die Dragonaden, den grössten Gräuel nach
der Bartholomäusnacht, von der katholischen Kirche Frankreichs zu tilgen. Die
Schmach, über eine schutzlose, ruhige, sittliche und fleissige Bevölkerung eine
langjährige Verfolgung verhängt zu haben, eine Verfolgung, die nicht wie in
den frühem blutigen Tagen den Leib tödtete, um die Seele zu retten, nein!
eine Verfolgung der Heimtücke, der Verführung, der Corruption, der Unmo-
ralität, eine Verfolgung, die zuerst die Ehre und die zeitlichen Güter zu Grunde
richtete, alle edlem Regungen abstumpfte und dann die Unglücklichen entwe-
der in die Fremde trieb oder den Seelenleiden eines vorwurfsvollen Gewissens
preis gab; — die Schmach einer solchen Verfolgung verbleibt der katholischen
Kirche allein! Unser papistjscher Verfasser, dem die Zerstörung eines Gnaden-
bildes oder die Entweihung geheiligter Hostien Entsetzen erregt, hat für die
zahllosen Leiden einer misshandelten Bevölkerung, die nicht den Papst als Statt-
halter Christi verehrte und ihr Seelenheil auf einem- andern Weg, als den das
Tridentiner Concil vorschreibt, zu finden hoffte, kein Mitgefühl. Er erwähnt
XL. Jahrg. 4. Doppelheft. 39