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Gerlach und Bachofen: Geschichte der Römer.

thums übergetragen, gefällt dem trägen Haufen mehr als die histori-
sch e, zur That und Nachfolgeanspornende Wirklichkeit. Diese wohl-
feile Richtung war und ist so allgemein beliebt, dass selbst W. Schle-
gel in seinem kritischen Gegenstreben hineingerieth. Er hielt z. B. den
Mucius Scaevola aus ziemlich nichtigen Gründen für eine poetische Figur
und bedachte auf seinem bequemen Polsterstuhl moderner Weichlichkeit
nicht, dass die Energie wider den Schmerz, ein Merkmal Römischer Mann-
heit (Virtus}, sogar in entarteten Tagen noch vorgefunden wurde. Nö-
thigte doch Kaiser Domitianus, damit die heroische Hoheit der Alt-
vordern Widerlegung empfinge, einen gemeinen Verbrecher, sich durch
das Verbrennen der Hand von der Todesstrafe zu lösen, und bestand der
kraftvolle Bösewicht im Angesicht von Tausenden die furchtbare Probe!
(Martial. VIII. 30. und X. 25Q — Eine verständige Revision der Rö-
mischen Geschichte nach den geläuterten Regeln einer besonnenen Kritik,
welche zwischen der destruktiven und rein konservativen die
gerechte, freilich schwierige Mitte einhält, ist daher nicht nur nütz-
lich, sondern sogar Bedürfnis«. Diese Aufgabe, scheint es, haben sich
die Verfasser, durch philologische-juridische Arbeiten rühmlich bekannt,
gesetzt; sie wollen masslose, unbegründete Neuerungssucht meiden, aber
eben so wenig denjenigen heimgekehrten Emigranten angeboren, welche
wie weiland die Bourbons nichts vergessen und nichts gelernt haben.
„Nicht als wollten wir, heisst es in dem Vorwort, die durch Geist und
Gelehrsamkeit errungenen Endergebnisse von uns weisen, oder zu der
frühem Anschauungsweise Römischer Verhältnisse zurückkehren, wohl aber
wollen wir den Scharfsinn und die Zweifelsucht nur innerhalb der Gren-
zen gelten lassen, welche durch die Geschichte selber gesteckt sind. Ein
geistreicher Skepticismus mag die Geister wecken, und was nur auf Treu
und Glaube angenommen, zur tiefem Erkenntniss umgestalten; an die Ver-
gangenheit den Massstab der Gegenwart zu legen, kann auf eine neue
Betrachtungsweise führen, und eine angenehme Beschäftigung gewähren;
endlich das Zusammenstellen und Vergleichen ähnlicher Erscheinungen in
dem Leben verschiedener Völker kann zu überraschenden Ergebnissen
gelangen; aber um die Geschichte eines Volkes zu schreiben, genügt
diese Art dpr Behandlung nicht. Nicht Gedanken, Vermuthungen, Ur-
iheile des neunzehnten Jahrhunderts über alt-römische Zustände wollen
wir vernehmen, sondern die Thaten und Schicksale der Römer wollen
wir erfahren, wie sie von ihnen selber verstanden, begriffen
und überliefert worden sind. — Man war bisher gewohnt, vorzüg-
lich das Staats- und Rechtsleben der Römer in Vordergrund zu stellen
 
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