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Gerlach und Bachofen: Geschichte der Römer. 35
und die kriegerische Tapferheit zu preisen; dadurch ist geschehen, dass
man nicht selten die tiefere Grundlage des römischen Charakters gani
unbeachtet (?) liess, das lebendige Abhängigkeitsgefühl vod der Macht
der Götter u. s. w.“ Dieser religiös - kirchliche Standpunkt, bei
der entschiedenen Abhängigkeit des Cultus vom Staat etwas schwan-
kend, wird bis zum Offenbarungsglauben festgehalten. „Ihn ver-
mittele, lautet die Ansicht, die Weisheit des ewigen Geheimnisses, die,
durch heilige Weihe von Geschlecht auf Geschlecht sich vererbende Wis-
senschaft, welche dem Volk als ein köstliches Eigenthum bis zu den fern-
sten Zeiten bewahrt bleibe; in diesem Glauben seien die Thaten der
frühem Jahrhunderte vollbracht, dieDecier den Heldentod gestorben etc.
Unglück habe dagegen die der strengen, gleichsam dogmatischen Gottes-
furcht sich entwindende Auffassung betroffen, den frevelhaften Clau-
dius bei Drepanum, den übermüthig thörigten Flaminius beim Trasimeni-
schen See.“ — In diesem Zusammenhänge mit der Religion sahen aller-
dings einzelne Berichterstatter Roms den angedeuteten Thatbestand, andere
aber und mit ihnen die historische Kritik, urtheilten jedoch wesentlich
verschieden; sie vermeinten, die Decier hätten, die schuldbeladene Welt
zu entsühnen (notio averruncandi), den Opfertod gesucht und gefunden,
der leichtsinnige Claudier durch Hinterhalt, der sorglose, bei der patri-
zischen Partei anrüchige Flaminius durch Ueberfall des schlauen Feindes,
unabhängig vom Glaubensprincip, ihre Niederlagen verwirkt. Auch müsste
wohl die Verflechtung des Römischen, einem unabhängigen, t h e o -
kratischen Kirchenprincip abholden Staatscultus in die Öffentlichen
und häuslichen Sitten Qnores) als wirklich eigenthümliche Form des po-
litischen und religiösen Lebens hervorgehoben und in allen Hauptwech-
seln der Geschichte als bedeutender Faktor des Glaubens festgehalten
werden. Jedenfalls kann das Publikum ein selbständiges, durch Gelehr-
samkeit und Wärme ausgezeichnetes Werk erwarten, welches vielen Miss-
bräuchen und Uebertreibungen der rein negirenden, hypothesenreichen
Kritik gründlich begegnen, wenn auch nicht immer beifällige Endergeb-
nisse, An- und Aussichten liefern wird. Indem Referent eine mehr ein-
lässliche Anzeige so lange aufschiebt, bis der erste Band durch die zweite
Abtheilung seinen Abschluss gefunden hat, muss er den Wunsch ausspre-
chen, die Herren Verfasser möchten in diesen schwierigen, eben so un-
literarischen als unpraktischen Zeitläuften der sauren Gährung
oder politischen Grippe ihren wahrhaft aufrichtenden, gewissermassen
heldenmüthigen Plan einer Römischen Gesammthistorie unabgewendeten
Blicks verfolgen und unbekümmert um die einstweilige Art der Aufnahme

 
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