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Nr. 35. HEIDELBERGER 1856.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Fahri: Briefe gegen den Materialismus.
(Schluss.)
Allein dieser instinktiv so richtig anerkannten Ansicht erwirbt Fabri
nicht die gehörige psychologische Klarheit. Es hätte weiter nachgewiesen wer-
den müssen, wie nicht nur der Glaube zu einem Wissen erhoben wird, und
dieses somit bedingt; sondern wie auch alles Wissen seinerseits den Glauben
bedingt, ähnlich wie die erworbenen Begriffe die unbewusst sich bildende Vor-
stellung von den Objekten äusserer Wahrnehmung. In diesem Wechselverhält-
niss zwischen Glauben und Wissen mit der Geltendmachung des sensus in der
innern Wahrnehmung liegt diejenige Seite, welche die Religionsphilosophie der
spekulativen Philosophie gegenüber geltend zu machen hat; hier ist überhaupt
die Stelle, wo sich für eine fernere Thätigkeit und für eine wissenschaftliche Be-
gründung dieser höchstmerkwürdigen, in unserer Zeit so sehr verkannten psy-
chologischen Vorgänge anknüpfen liesse; und wo wir uns von Knoodt tiefere
Aufschlüsse geben werden lassen.
Einen ähnlichen Mangel an Durchführung einer psychologischen Begründung
vermissen wir in der Bestimmung des Verhältnisses zwischen religiösem Glauben
und Wissen. Es ist hier zu unterscheiden zwischen dem Wissen, welches auf
äusserer und dem, welches auf innerer Wahrnehmung begründet ist, und in
Letzterem muss wieder das besondere religiöse Wissen unterschieden werden.
Wenn wir von dem religiösen sensus absehen, der nicht weiter erörtert ist, so
können wir die religiöse fides mit Zellers Worten geradezu bestimmen, obgleich
Fabri diesen bekämpft. „Versteht man unter Glauben, — so behauptet Zeller in
der von Fabri p. 99 angeführten Stelle, — nicht bloss die religiösen, sondern,
überhaupt alle diejenigen Ueberzeugungen, welche mehr auf Autorität, Gewohn-
heit, unbestimmten Eindrücken, gemüthlichem Bedürfniss, als auf klar erkannten
Gründen beruhen, so liegt am Tage, wie viele von den wissenschaftlichen Fra-
gen auf allen Gebieten der Glaube in seiner Weise beantwortet, wie hartnäckig
dieser Glaube der Wissenschaft ihre Befugniss der obersten Entscheidung bestreitet
und wie bedeutend sein Einfluss selbst auf die Wissenschaft, in älterer und
neuerer Zeit gewesen ist.“ Allein obgleich Fabri die Ueberzeugung fest hält,
dass der religiöse Glaube zu einem religiösen Wissen entwickelt werden müsse,
hat er doch, so wenig er den sensus, auf welchem derselbe beruhen soll,
psychologisch näher zu begründen suchte, eben so wenig auch die psycho-
logischen Vorgänge tiefer erörtert, durch welche derselbe zum Intellectus wer-
den kann; weil solche Untersuchungen seinem Thema hier zu ferne liegen
mochten. Wenn wir p. 208 hören, der Glaube sei der göttlichen Offenbarung
zugewandt, hingegen die Naturwissenschaft nur der sinnlichen Erscheinung durch
äussere Wahrnehmung: so ist doch gerade hier Gelegenheit zu der reichsten
XLIX. Jahrg. 7. Heft.
 
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