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Nr. 44.

HEIDELBERGER

1856.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Haupt: Zeitschrift für deutsches Alterthum.

(Schluss.)
Die gemeine Meinung über die Genealogie der burgundischen
Könige vor Gundobald gründet sich ohnehin nicht auf genüg-
same direkte Zeugnisse ihrer Abstammung, sondern meist nur da-
rauf, in welcher Reihenfolge sie in der Geschichte als herrschend
erscheinen, und da mitunter mehre Brüder zugleich neben einander
regierten, so muss hier wohl zweifelhaft bleiben, ob ein nachfolgen-
der König der Sohn des einen oder des anderen Bruders war.
Ganz entscheidend sprechen aber auch innere Gründe dafür,
dass der Titel III der Lex Burgundionum nicht von K. Gundo-
bald herrühren kann, sondern von einem älteren Könige herrüh-
ren muss. Diese Stelle spricht nämlich nicht etwa einen Rechts-
grundsatz aus, sondern enthält nur eine Verordnung in Bezug auf
bestimmt bezeichnete Personen; d. h. sie setzt das Dasein (das Le-
ben) von Leuten voraus, die schon unter der Herrschaft der vier
Brüder Gibica, Godomar, Gislahar und Gundachar (von
welchen einer der Vater des hier redenden Königs ist) frei waren:
und diesen Leuten selbst — nicht etwa deren nunmehr lebender
Nachkommenschaft — wird in dieser Constitution zugesichert, dass
sie frei bleiben sollen, während umgekehrt erklärt wird, dass jene
Leute, welche zur Zeit jener vier Brüder denselben dienstpflichtig
waren, auch in der Dienstpflicht gegen den jetzt regierenden König
verharren sollen. Eine solche Erklärung konnte nur von einem
Könige ausgehen, welcher jenen vier königlichen Brüdern als Sohn
und Neffe ganz nahe stand und unmittelbar folgte, und dies war
offenbar nicht Gundobald. Dagegen aber konnte eine solche
Constitution eines früheren Königs recht wohl in Gundo-
bald’s Sammlung aufgenommen werden, weil es auch in dieser
späteren, sowie in aller künftigen Zeit für die Descendenz jener
Leute wichtig bleiben musste, sich fortwährend auf jene alte Ver-
ordnung beziehen zu können, welche ihren Vorältern den freien
Stand gesichert hatte. So wie man sich aber darüber aufgeklärt
hat, dass die Constitution im Tit. III der Lex Burgundionum nicht
von Gundobald selbst, sondern von einem älteren Burgunder-
fürsten (Gundovechus oder dessen Bruder Chilperich I.) her-
rührt, so muss auch alle Versuchung, den einen historischen König
Gundobald in zwei Hälften zu spalten, oder ihm einen gespen-
stischen altersgrauen Doppelgänger zu geben, von selbst hinweg-
XLIX Jahrg. 9. Heft. 4.4.
 
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