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Nr. 50.

HEIDELBERGER

1856.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
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Germar: Glauben oder Wissen.
(Schluss.)

Die Möglichkeit der Philosophie hängt also von zweierlei ab:
1) von dem wirklichen Vorhandensein solcher unbezweifelbarer (allge-
meingültiger) Thatsachen des Bewusstseins; 2) davon, dass diese Thatsachen,
wenn sie vorhanden sind, sich wirklich zur Prüfung der Tacturtheile eignen.
Als Princip wird der Satz S. 162 aufgestellt:
„Ich kenne verschiedene Empfindungen, d. h., ich finde in
meinem Bewusstsein die Vorstellung von verschiedenen Zuständen und Ver-
änderungen meines Ichs oder des Subjects dieses Bewusstseins, z. B. von Be-
wegung, Hunger, Durst, Wärme, Kälte, Helligkeit, Dunkelheit, Farben, Tönen,
Gerüchen“ u. s. w.
Dieser ganz richtige Ausgangspunkt wird S. 163 näher begründet.
Es wird nun S. 165 gezeigt, in welchem Verhältnisse die Geisteskräfte
und Thätigkeiten zu diesen in uns vorhandenen Empfindungen, von denen als
Princip ausgegangen werden muss, stehen. Die Empfindungen werden
durch die Vorstellung erkannt, durch das Gedächtniss festgehalten. Da
die Vorstellung erst aus der Empfindung entsteht, so bildet sich der
Begriff von Ursache und Wirkung, weil hier die Wirkung auf die Ur-
sache folgt, auch der Begriff der Zeit. Verschiedene Empfindungen können
nur wahrgenommen werden, wenn man sie unterscheidet, also vergleicht.
Die Vergleichung bezieht sich theils auf den Einfluss, den sie auf den Empfin-
denden haben, theils auf die eigenthümliche Beschaffenheit und Stärke der
Empfindungen selbst. In der ersten Beziehung bildet der Tact angenehme
und unangenehme Gefühle, in der zweiten Begriffe, Urtheile und
Schlüsse (S. 168 ff.).
Der Hr. Verf. geht nun von den Empfindungen zu den „realen Ob-
jecten“ oder „den Dingen an sich“ über, welche er S. 172ff. in ihrem Ver-
hältnisse zum Grundprincipe der Philosophie darstellt. Die Empfindungen zei-
gen sich in ihrem ersten Erscheinen völlig unabhängig von der Selbstthätig-
keit des Geistes, indem sie ohne dieselbe, ja sogar „ihr zum Trotz“ zum Be-
wusstsein kommen, und „wider unsere entgegengesetzte Vorstellung und wider
unsern entschiedenen Willen sich uns aufdringen.“ Sie müssen also „als Wir-
kungen von Ursachen betrachtet werden, welche eine ausserhalb der eigenen
Geistesthätigkeit befindliche Existenz haben.“ Ganz richtig sieht der Hr. Verf.
einem die Realität der äussern Welt bezweifelnden, einseitig schroffen Idea-
lismus gegenüber den einzigen objectiv zureichenden Beweisgrund für die
äussere Realität der Dinge in dem Aufnöthigen der Vorstellungen der Dinge
von Aussen, welche Aufnöthigung im vernünftigen Bewusstsein aller Menschen
XLIX. Jahrg. 10. Heft. 50
 
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